Die Braut des Wuestenprinzen
nicht erwarten. Also verließ Elenor den Palast so gut wie gar nicht mehr.
Aber alles sollte noch viel schlimmer werden.
Als sie das Getrappel von herannahenden Hufen unter den Füßen spürte, wurde Elenor vor Angst ganz schwindelig. Ohne sich umzusehen, wusste sie, dass es Karim war, der ihr folgte. Was hatten die vergangenen vier Jahre aus ihm gemacht? Einmal hatte er sie gehen lassen. Wie würde er nun auf ihren Fluchtversuch reagieren?
Das Getrappel wurde lauter, und die Vögel hörten auf zu singen. Sogar das Rauschen des Flusses klang schwächer, da an dieser Stelle kaum Steine das Wasser aufwirbelten. Stattdessen mündete der Fluss in einen tiefen, klaren See.
An Gewässern wie diesem hatte man früher der Göttin Anahita gehuldigt. Anahita, eine Schutzgöttin der Frauen, wurde von fast allen Frauen, die hier in den Bergen lebten, verehrt. Ohne es als religiöse Handlung aufzufassen, führten sie einen uralten Ritus aus, wenn sie eine Blume in einen See warfen und Anahita um Hilfe anriefen. Und natürlich gab es noch Stämme, die die alte Religion praktizierten. Sie sahen die Anbetung von Anahita als ihre Pflicht an und achteten darauf, dass ihre heiligen Stätten nicht beschmutzt wurden.
Angstvoll starrte Elenor auf die sich sanft kräuselnde Oberfläche des Sees. Würde die Wassergöttin ihr einen Ausweg anbieten? Es hieß, dass Anahita Frauen, die sich in ihre Hände gegeben hatten, errettet hatte. Aber der See sah tief und gefährlich aus.
Das Hufschlagen wurde noch lauter, und in panischer Angst drehte Elenor sich um. Nun sah sie Karim direkt auf sich zureiten. Er sah wütend und zu allem entschlossen aus. Seine Augen funkelten vor Zorn, und seine Zähne blitzten weiß in dem sonnengebräunten Gesicht. Elenor fragte sich, wie viele Männer ihn so gesehen hatten, bevor sie getötet wurden. Dann begab sie sich, ein Gebet sprechend, in Anahitas Obhut.
Keuchend tauchte Elenor auf. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass das Wasser so kalt sein würde. Die mit Wasser vollgesogene Kleidung zog schwer wie Blei an ihr, und im See herrschte eine starke Strömung. Sie konnte nur versuchen, gegen die Strömung anzuschwimmen. Vielleicht verhinderte sie so wenigstens, gegen die Felsen geschmettert zu werden.
Ein Strudel erfasste sie und drehte sie herum. Nun sah sie die Felsen, auf die sie zutrieb, nicht mehr, dafür aber Karim, den sie weit hinter sich gelassen hatte. Vom Ufer des Sees aus sah er ihr erstaunt nach. Dann trieb er das Pferd an und ritt am Ufer entlang, bis er sie eingeholt hatte.
Sie hörte ihn neben sich ins Wasser springen und fühlte seine Hände, die sie packten und festhielten.
„Lass mich! Verschwinde!“, schrie sie, heiser vor Kälte und Angst.
„Bist du verrückt geworden?“, rief er. „Willst du dich umbringen?“ Er hielt sie fest in einem Arm. Den anderen benutzte er, um mit kräftigen Stößen zum Ufer zurückzuschwimmen, während der Fluss sie weiter mit sich riss.
Nach einer halben Ewigkeit erreichten sie das Ufer. Karim zog sie aus dem Wasser und schob sie unsanft auf das steinige Ufer. Dann kletterte er selbst heraus und legte sich der Länge nach auf sie.
10. KAPITEL
Er küsste sie so kraftvoll und ausgiebig, dass sie kaum noch Luft bekam. Mit den Händen hielt er ihren Kopf, mit seinem Körper ihren Körper. Die Vehemenz, mit der er ihre Lippen eroberte, konnte genauso gut Ausdruck von Wut wie von Leidenschaft sein.
Nach dem ersten Schreck kam Elenor langsam wieder zu sich. Sie spürte ihren ausgekühlten Körper, spürte das Gras unter sich und die Hitze an den Stellen, wo ihre Körper sich berührten. Sie spürte die Wärme und den Druck seiner Lippen und die ganze Länge seines kraftvollen, auf ihr ausgestreckten Körpers. Sie spürte die Kraft in seinen Armen und Schenkeln und seine Begierde. Und dann spürte sie, wie auch ihre Sehnsucht nach ihm wiedererwachte, wie sie dahinschmolz – so wie damals unter der alten Eiche in London, damals, als sie ihr furchtbares Schicksal besiegelt hatte.
Es war sehr lange her, seit sie zum letzten Mal geküsst worden war. Sie begehrte ihn wie damals, als sie ihn so rückhaltlos und verzweifelt geliebt hatte. Die Eindringlichkeit seiner Umarmung ließ sie aufstöhnen. Bereitwillig öffnete sie seiner fordernden Zunge die Lippen. Von einer plötzlichen Zärtlichkeit ergriffen, hob er den Kopf ein wenig. Doch gleich darauf wütete der Zorn wieder in ihm, und er glitt von Elenor hinab.
Sie unterdrückte einen Protestschrei und
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