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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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vorn, wobei ihre Brüste ihm fast ins Gesicht sprangen.
    In einem Akt der Selbstverteidigung packte er den Pagen an seiner Seite und riß ihn hoch, bis das Gesicht des Jungen zwischen dem Busen der Frau verschwand. Ermutigungen, zweideutige Vorschläge und wildes Gelächter wurden laut. Die Musik raste, die Luft wurde heißer, das Stimmengewirr rauschte, und Chaucer hatte schon ein Knie auf dem Tisch, bereit, sich der buhlerischen Aufforderung der Frau zu stellen. Doch da verstummte der Lärm plötzlich. De Chauliac hatte sich erhoben und starrte zur Tür des Speisesaals. Die Augen aller folgten seinem Blick.
    Auch die letzten Gäste waren endlich eingetroffen. In der Tür, etwas atemlos von ihrem eiligen Marsch, standen Etienne Marcel und Guillaume Karle.
    KAPITEL 16
    J anies Gedanken überschlugen sich, als Kristina sie mit Virtual Memorial allein ließ. Es kam ihr vor, als habe sie ein neues Haustier. Da gab es Dinge zu lernen, Eigenheiten zu entdecken; Janie war hellwach und lebendig, obwohl sie sonst um diese Zeit im allgemeinen müde wurde. In London mußte es jetzt ungefähr Mitternacht sein, zu spät, um Bruce anzurufen. Und sie konnte nicht sicher sein, ob die leise Gereiztheit aus ihrem letzten Gespräch noch in der Luft lag. Trotz ihrer Zuneigung zu ihm wußte sie nur zu gut, daß Bruce manchmal zu Schulmeistergebaren neigte, und das letzte, was sie jetzt, da sie sich so für etwas Neues engagierte, gebrauchen konnte, war eine seiner Gardinenpredigten.
    Vielleicht müßte sie sich einfach mal wieder physisch austoben, um ausgleichsweise alles loszuwerden, was sich durch zuwenig Schlaf, zuviel Streß und zu viele Sorgen angesammelt hatte. Ein Lauf oder ein schneller Gang würden ihr guttun.
    Ich muß ohnehin mit Michael und Caroline reden.
    Es war eine mondhelle Nacht und der größte Teil der Strecke gut beleuchtet. Janie hatte schon halb den ersten Häuserblock auf dem Weg zu Michael und Caroline hinter sich, als ihr einfiel, daß Virtual Memorial noch immer auf ihrer Arbeitsplatt e in der Küche stand.
    Ich sollte ihn mitnehmen.
    Aber er enthält noch keine Daten. Wahrscheinlich macht es nichts, wenn ich ihn zurücklasse.
    Doch die Erinnerung an das, was mit ihrem Laptop geschehen war, holte sie siedendheiß ein. Sie machte kehrt und rannte zurück, um ihn zu holen.
    Nun, tatsächlich führe ich den Hund spazieren. Sie steckte das kleine Gerät in einen leichten, gepolsterten Rucksack und machte sich wieder auf den Weg.
    Ein Teil der Strecke führte über den Fahrradweg, wo der Traine r s einen Unfall gehabt hatte. Sie ging diesen Weg regelmäßig und glaubte ihn gut zu kennen. Doch als sie die Straße verließ und die bewaldete Abkürzung nahm, empfand sie plötzlich Kälte und Einsamkeit – nicht das Alleinsein, das sie liebte und oft suchte, sondern die häßliche, zwanghafte Empfindung, die den Körper drängt, um jeden Preis in Bewegung zu bleiben. Das tat sie, während Adrenalin sie durchströmte. Sie achtete darauf, nicht über eines der trügerischen Hindernisse zu stolpern, denen sie begegnen konnte – und die es reichlich gab in einer Zeit, in der man ohne offiziellen Erlaubnisschein nicht einmal ein Unkraut ausreißen durfte. Herausstehende Wurzeln, niedrig hängende Zweige und Schlingpflanzen warteten nur darauf, ihr Fußgelenk zu ergreifen. Sie ging schnell und hob die Füße weit an.
    Endlich erreichte sie den eigentlichen Fahrradweg, und als ihre Füße den Asphalt berührten, segnete Janie im stillen jenen unbekannten Regierungsbeamten, der den Weitblick besessen hatte, gegen alle Einwände von Umweltschützern diesen Belag zu genehmigen. Nach dem dunklen, unebenen Waldboden schien selbst das harte Pflaster freundlich; aber als sie einen Abschnitt erreichte, wo eine strategisch angebrachte Laterne eine gute Idee gewesen wäre, kehrte das kalte Gefühl zurück. Stetig einen Fuß vor den anderen setzend, lief sie keuchend durch die unbeleuchteten Abschnitte – es waren perfekte Verstecke, die sie nie zuvor bemerkt hatte.
    War es dunkel gewesen wie jetzt, als der junge Trainer stürzte und starb? War er so tief in Gedanken gewesen, daß er einen Stein oder Stock oder sogar eine Schildkröte nicht bemerkt hatte – oder etwa eine Person?
    Trotz Fahrrad und so weiter konnte jemand aus dem dunklen Gebüsch springen, einen Radler umstoßen oder anders überwältigen und ihm dann einen schnellen Schlag in den Nacken versetzen; zuletzt legte er den Körper so hin, daß es nach einem Unfall

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