Die brennende Gasse
es ein Heilmittel? «
» Ihr müßt dafür sorgen, daß dieses Übermaß regelmäßig freigesetzt wird, also Euren Arzt rufen, wann immer Ihr das Bedürfnis danach verspürt. «
Jemand klopfte leise an die Tür; sie drehten sich um und erblickten einen einigermaßen gereizten de Chauliac. Der Franzose wartete nicht auf eine Einladung, sondern trat mit seiner üblichen majestätischen Entschlossenheit ein. » Ich freue mich, Euch berichten zu können, daß wir durch Freisetzung der Fäulnis aus dem Zeh Eures Gatten seine Schmerzen beträchtlich verringert haben. Und außerdem scheint er fast wieder auf seine normale Größe geschrumpft zu sein. «
» Bei allen Heiligen «, rief Elizabeth auf, » allmählich verabscheue ich den Gedanken an eine Rückkehr nach England. Wo sollen wir dort so großartige Ärzte finden? Ihr müßt beide bleiben und mit meinem Gatten und mir das Souper einnehmen. «
» Fühlt Ihr Euch wohl genug, um zu speisen, Gräfin? « fragte de Chauliac mit gelüpften Brauen.
Huldvoll lächelte sie. » Ja, es geht mir viel besser, gut genug, um ein oder zwei Bissen Nahrung zu mir zu nehmen. «
» Das sind ja wundervolle Neuigkeiten. Mein Kollege scheint wieder einmal ein Wunder gewirkt zu haben. Aber leider müssen wir ablehnen. Wir haben Arbeit vor uns, die keinen Aufschub duldet. «
» Experimente? «
» Arbeit, die schließlich zu Experimenten führen wird, wenn alles gut vorwärtsgeht. «
» Wie aufregend! Ich würde gern etwas über diese Arbeit erfahren. «
» Sie ist noch sehr geheim «, deutete de Chauliac an. » Wir wagen nicht, über unsere neuen Theorien zu sprechen. Bei unserem nächsten Besuch haben wir vielleicht genügend Fortschritte gemacht, um darüber zu berichten. Doch einstweilen, fürchte ich, haben wir noch einiges zu tun. « Er sah Alejandro an.
Der Jude erhob sich von der Bettkante. » Mein Kollege hat ganz recht. Wir müssen uns verabschieden. « Er beugte sich noch einmal über die Gräfin und flüsterte: » Obwohl ich gern bleiben und den Verlauf Eurer Gesundung beobachten würde. Ein anderes Mal! Diese Krankheit, an der Ihr leidet, ist bekannt dafür, daß sie sich gelegentlich wiederholt. Sendet Euren Pagen Chaucer, und ich werde Euch weitere Ratschläge übermitteln. « Er zwinkerte, richtete sich wieder auf und grüßte zum Abschied.
S ie saßen an dem Tisch in de Chauliacs Salon, die kalten, fettigen Reste ihres Abendessens zwischen ihnen. Zu Alejandros stiller Erheiterung hatte de Chauliac während der ganzen Mahlzeit vor sich hin gemurmelt und sich nie direkt an seinen Gefangenen gewandt. Endlich blickte er von seinem Teller auf und schrie beinahe: » Ihr macht Euch einer besonders bösartigen Täuschung schuldig, indem Ihr diese Tändelei ermutigt, Canches. «
» Aha «, stelle Alejandro fest, » endlich enthüllt sich die Ursache Eures Ärgers. Ihr müßt darauf achten, daß solche Dinge nicht zu schwären beginnen. Das ist schlecht für die Gesundheit. Und ich sehe wirklich kein Unheil in dem, was zwischen mir und der Gräfin vorgeht. «
» Kein Unheil? Diese Dame ist die Gattin eines Prinzen von England und selbst von hohem Adelsstand! Sie wird beim Tod ihres Vaters ganz Ulster erben. Wie könnt Ihr annehmen, eine solche Paarung sei passend! «
» Was fällt Euch ein, de Chauliac! Niemand ist an einer Paarung interessiert, am wenigsten die Gräfin selbst. Sie hat bereits eine gute Verbindung geschlossen, vielleicht die beste, die es für sie gab. Aber das bedeutet nicht unbedingt, daß das Arrangement sie völlig zufriedenstellt. Wenn ich mir Prinz Lionel anschaue, dann sehe ich einen Mann, der wenige Frauen anziehen würde, wenn er nicht von königlicher Geburt wäre. Er besitzt alle Merkmale der Plantagenets, doch bei ihm treten sie in ziemlich unansehnlicher Form zutage. «
» Die beiden haben eine ganze Anzahl Kinder, also muß es eine gewisse Zuneigung zwischen ihnen geben. «
» Zwischen Ehemännern und Ehefrauen muß es immer Interesse geben, wenn nicht füreinander, dann an einem gemeinsamen Ziel.
Aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß sie unter königlichen Personen häufig eine ziemlich farblose Form annimmt. Diese Dame gönnt sich nur ein wenig Abwechslung. «
» Aber Ihr … Ihr seid … «
» Ein Jude und deshalb sogar zu einem Flirt ungeeignet? «
» In der Tat! «
» Davon weiß sie nichts, solange Ihr es ihr nicht mitteilt. Und ich wage zu sagen, daß es für sie ebenso schädlich wäre wie für mich, wenn mein ›
Weitere Kostenlose Bücher