Die brennende Gasse
einem Brand umkommen … «
» Ja. Das wäre absurd gewesen, was? «
» Sie müssen all Ihre Habe verloren haben – wie können Sie da einfach so – so ruhig und normal hier sitzen? Ich wäre vollkommen außer mir. «
» Aber ich bin weder ruhig noch normal. Nicht im entferntesten! «
» Und Sie sind sicher, daß es kein Unfall war – daß es sich tatsächlich um Brandstiftung handelt? «
» Es sieht so aus. Jemand hat sich große Mühe gegeben, mein Leben durcheinanderzubringen. In jeder Hinsicht. «
» Aber – warum? «
» Wegen etwas, woran ich arbeite und das einen Nerv zu treffen scheint. Irgendwo. Ich weiß nicht wo. Wer immer der Verursacher ist, scheint zu wissen, was ich tue und wann. «
Sie sah sich nervös um, eine neue Angewohnheit, die anfing, sie zu stören. Myra tat indessen dasselbe. Als ihre Blicke sich wieder trafen, sagte Myra: » Sie glauben doch nicht etwa, daß Sie abgehört oder beobachtet werden? «
» Vielleicht. Mir passieren dauernd merkwürdige kleine Dinge. Vielleicht bin ich auch bloß paranoid. Aber eines weiß ich – ich bin noch nie so durcheinander gewesen. «
Der Kellner erschien mit Kaffee. Myra und Janie nickten bejahend in Richtung auf ihre Tassen. Nachdem er sie nachgefüllt hatte, entfernte der Ober sich wieder.
» Und zu allem Überfluß habe ich auf einmal auch noch zwei Männer. «
Myra zog sofort die Augenbrauen hoch. » Zwei? Nun, ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht helfen. «
» Leider kann mir da überhaupt niemand helfen. «
» Es wird doch irgend jemanden da draußen geben, der weiß, wie man mit zwei Männern fertig wird – bloß ich nicht. Mir hat einer gereicht. Und sogar der war manchmal zuviel. Damals, als ich noch Männer hatte, heißt das, beziehungsweise einen … «
Für einen kurzen Moment schien sie melancholisch zu werden, und Janie wartete höflich, bis der wehmütige Ausdruck verschwand, ehe sie fortfuhr: » Diese Situation wird sich von selbst lösen, auf die eine oder andere Weise, selbstverständlich. Das ist auch nicht der Grund, warum ich Sie sprechen wollte. «
Die Kuratorin kam sofort auf das Thema, das für sie das naheliegendste war. » Gibt es ein Problem mit Ihrem Journal? «
» Nein. Da hat sich nichts geändert. Aber das Journal hat etwas damit zu tun, warum ich Sie um ein Treffen gebeten habe. « Sie unterdrückte ein Gähnen und schloß für einen Moment die Augen.
» Ich brauche verzweifelt ein bißchen Normalität, und dieses Lokal ist … für mich etwas Besonderes. Das letzte Frühstück zusammen mit meiner Mutter hat hier stattgefunden. «
» Dann stürmen jetzt eine Menge Erinnerungen auf Sie ein? «
Janie sah sich wieder um. Diesmal nahm sie die Wärme des Ortes in sich auf, und als sie sich wieder Myra zuwandte, fühlte sie sich etwas gelassener. » Ja, das tun sie. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich meine Mutter vermisse. Ich hätte sie viel länger gebraucht. «
» Es tut mir leid «, sagte Myra. » Wir haben alle so schreckliche Verluste erlitten. Wenn ich an die letzten paar Jahre zurückdenke, dann muß man wohl einfach dankbar sein, daß man noch lebt. «
» Stimmt. «
Die Speisekarten wurden gebracht. Eine neue Kellnerin machte Vorschläge, und sie wählten schnell. » Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten «, sagte Janie, als sie wieder allein waren.
Myra lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. » Also, Sie machen mich neugierig. Ich habe mir schon gedacht, daß Sie mich nicht nur deshalb einladen, weil Sie meine Gesellschaft so sehr schätzen. «
Janie brachte ein kleines Lachen zustande. » Ich wußte, daß ich mich hier besser fühlen würde. Ihre Offenheit ist so … erfrischend. «
» Das ist sehr diplomatisch formuliert, wenn man bedenkt, was Sie statt dessen hätten sagen können. Bitte, fahren Sie fort. «
Janie erzählte ihr von Abraham Prives ’ seltsamer Krankheit und so viel, wie sie wagte, von deren mysteriösen Umständen. Als sie damit fertig war, saß Myra ein paar Minuten schweigend da. Endlich sagte sie: » Was für ein trauriges Schicksal! «
» Ja. Und das sind nur die Jungen, von denen wir wissen. «
» Ach, die armen Kinder, und ihre armen Mütter! «
» Genau. Ich kenne nur eine der Mütter persönlich, und sie ist wahnsinnig tapfer – aber es muß furchtbar für sie sein. Ich habe die übrigen – eh – Mitarbeiter nicht gefragt, wie es den anderen Eltern insgesamt geht; aber ich kann mir vorstellen, daß die Schilderung nicht erfreulich wäre.
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