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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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weniger als in Friedenszeiten, doch er sah viele junge Männer in den schlichten Gewändern frischgebackener Studenten. Und einige trugen sogar Bücher bei sich! Er hatte von Büchern namens incunabula flüstern hören, mit Seiten, die aus zerkleinertem Holz hergestellt waren, beschrieben mit Fett und Ruß und dann gebunden – doch solche Wunder, hatte er gedacht, existierten nur im Orient. Konnte es das sein, was diese jungen Männer trugen? Wie wundervoll, wenn es wahr wäre! Sie saßen an kleinen Tischen und lehnten an Mauern, tranken den billigsten Wein, den die Schenken austeilten, und tauschten mit der eifrigen Gewißheit der Jugend Meinungen aus, obwohl ihm rätselhaft war, wie die Jugend sogar von Pestilenz, Krieg und Hungersnot unberührt bleiben konnte. Dann erinnerte er sich an die rauschhafte Zeit seiner eigenen Studententage, und alles wurde ihm klar. Damals hatte er sich unsterblich gefühlt, unerschütterlich. Er hatte keinen Deut davon gespürt, was vor ihm lag.
    Jetzt kam er an einer schönen Villa vorbei, so auffallend inmitten all der kleinen, alten Häuser ringsum, daß er einen Moment stehenblieb, um sie zu bewundern. Die soliden Steinmauern zogen ihn an, und fasziniert musterte er die Details der Ausstattung des eleganten Gebäudes. In allen Fenstern befand sich Glas. Auf diese Weise konnten die Bewohner die Segnungen des Lichts ohne die Plage des Windes genießen.
    Nachdem er das neue Gebäude eingehend betrachtet hatte, ging er in Richtung Place de la Sorbonne. Bald war er vom süßen Klang von Latein umgeben; denn in dieser alten und ewigen Sprache verständigten sich die Gelehrten Europas, die sich in Paris versammelten, miteinander. Von allen Idiomen, die er beherrschte, war ihm Latein bei weitem das liebste – denn es floß ihm weich wie ein Kuß von der Zunge und war den Ohren des Zuhörers angenehm. Nur wegen seines flüssigen Lateins war es ihm gelungen, die schwierige und mühselige Sprache des englischen Volkes zu erlernen, die sich so freimütig Worte ausborgte. Wieso dieses Englisch stets beliebter wurde, begriff er nicht; alle waren sich darin einig, daß es sich zu höfischem Gebrauch schlecht eignete. Es war einfach zu häßlich. Kate sprach es recht gut, aber Reste davon färbten ihr Französisch, und er hatte sie oft ermahnt, ihre Ohren besser zu spitzen.
    Ob die englische Sprache wohl ein Wort oder einen Ausdruck besaß, der dasselbe bedeutete wie das geheimnisvolle Maranatha? Vermutlich nicht. Der Mangel an Tiefe wird schließlich ihr Untergang sein, dachte er. Aber im Lateinischen wird es sicherlich eine Entsprechung geben.
    Er kam an einer Gruppe Gelehrter in Talaren vorbei, verlangsamte seine Schritte und wandte sich nach ihnen um. Einige drehten ihm den Rücken zu. Nicht weit entfernt standen zwei Soldaten, die beide gelangweilt und fehl am Platze wirkten. Alejandro hielt es für wahrscheinlich, daß keiner von ihnen verstand, was die nahen Gelehrten sprachen. Und es würde sie auch nicht interessieren.
    Warum also nicht einfach fragen? Es bestünde keine Gefahr, wenn er sie auf lateinisch ansprach. Sie dächten bestimmt, er sei einer von ihnen, wenn auch ärmlich gekleidet, vielleicht ein reisender Magister. Dann könnte er in die Rue des Rosiers zurückkehren, das Geheimnis wäre aufgeklärt, und in der vertrauten Sicherheit würde er weiter auf Kate warten.
    Also näherte er sich der Gruppe. Er entschuldigte sich für die Störung, falls diese unwillkommen sei, und wünschte ihnen allen gute Gesundheit. Und obwohl er höflich aufgenommen wurde, spürte er die bohrenden Blicke dieser Männer. Ihre Neugier fühlte sich an wie die Spitze eines scharfen Messers, die an seinen intimsten Stellen stocherte. Aber nun bin ich einmal hier, nahm er allen Mut zusammen, und werde auch fragen.
    » Maranatha «, sagte er. Er artikulierte jede der fremden Silben sorgfältig. Und dann fügte er auf lateinisch hinzu: » Ich habe dieses Wort in einer Handschrift gefunden und weiß nicht, was es bedeutet. Es war meine Hoffnung, daß vielleicht einer von Euch mich darüber aufklären könnte. «
    Zu seiner Überraschung erfolgte die Antwort auf französisch, und noch ehe er das Gesicht des Sprechers sah, erkannte er die Stimme.
    » Il veut dire › Venez, mon Dieú ‹« , sagte Guy de Chauliac. » Also etwa: › Komm, o Gott. ‹ Es ist Aramäisch. Ich mußte mir während meiner Studien einiges davon aneignen. Und ich darf sagen, bienvenue à Paris, Kollege. Unsere letzte Begegnung

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