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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Lügenvater, peitschte sie auf, daß sie ihm nachhechelten. So dicht waren sie auf seinen Fersen, daß ihm ihr Geifer in den Nacken tropfte.
    »O Gott, beschütze mich!« Er hatte John versichert, daß er die Arbeit fortsetzen würde, auch zum Preis seines eigenen Lebens. John Wycliffe hatte täglich mit dem Scheiterhaufen gerechnet. Auch er, Nicholas, würde lernen, die Angst zu mißachten. In diesem Loch hatte er sich bis heute gut verborgen. Wenn sie wüßten, wo er steckte – längst hätten sie sich mit der geballten Kraft des Papstes und der Kirche und des Königs und der Fürsten und der Ritter auf ihn gestürzt, um ihn zu zermalmen. Er hob eine Leiche aus dem Grab, das mißfiel ihnen, das machte ihnen angst, weil sie Schuld daran trugen, daß sie verfaulte. Er erweckte die Leiche der Heiligen Schrift zu neuem Leben. Sie würde fürchterlich Rache nehmen. »Ja«, sagte er, »Rache wird sie nehmen.«

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    Er hat von Schriften gesprochen, entsann sich Catherine, als sie die Stufen in das zweite Stockwerk des Herrenturms hinaufstiegen. Weil er wieder lesen kann! Es war nicht Undankbarkeit, es war Freude, die ihn mit der Brille fortgehen ließ ohne ein Wort an sie. Nun würde Sir Thomas Latimer sie und Elias in seinem Gemach empfangen, sicher hatte sein Gewissen ihn gemahnt, daß er versäumt hatte, sich zu bedanken. Die Knie zitterten ihr, als Elias die Tür öffnete und sie dem Ritter gegenübertraten.
    Sir Latimer trug einen zerschlissenen roten Waffenrock, auf dessen Brust ein gelbes Kreuz genäht war. Flicken von rotem Stoff zeugten davon, daß ihn der Rock auf Schlachtfelder begleitet hatte. »Guten Morgen«, sagte er. Er sprach es, als würde er sagen: Der König ist tot.
    »Schlechte Nachrichten, Herr?«
    »Nicht für Euch. Die Brille ist großartig.« Der Blick des Ritters irrte in die Ferne. Falten gruben sich zwischen den Augenbrauen in seine Stirn. Er raunte: »Manchmal bin ich des Kämpfens müde.«
    »Die Franzosen?« stieß Elias hervor. »Sind sie gelandet?«
    »Ach, die Franzosen! Was bedeutet das schon: Zwei Länder kämpfen. Größere Mächte toben gegeneinander an.«
    Elias nickte: »Ich verstehe.« Er warf einen kurzen Seitenblick auf Catherine.
    Wovon redeten sie? Sie hatte Elias auf dem Hof versprochen, kein Wort zum Ritter zu sagen. Nun aber krochen Fragen in ihrem Mund herum, wanden sich förmlich um die Zunge und betasteten die Lippen.
    Plötzlich der helle Blick des Ritters auf ihrem Gesicht. »Wie ist dein Name?«
    |33| »Catherine.«
    »Zürne nicht, Catherine. Auch Anne, meine Frau, ist ahnungslos. Und in meinen schwachen Stunden wünschte ich,
ich
hätte diesen Frieden.« Er schloß die Augen. »Hast du einen Freund, einen Gefährten, Elias? Sprich!«
    »Nein, Herr. Ich habe meine Frau.«
    »Dann stelle dir vor, deine Frau fällt dir in den Rücken.« Er schwieg einen Augenblick. »Schmach! Mißbrauchtes Vertrauen. Dieser Dolch zwischen meinen Schulterblättern!«
    »Einer Eurer Gefährten –«
    »Er verdient es, gerädert, gevierteilt und verbrannt zu werden.«
    »Niemand verdient das«, sagte Catherine.
    Der Ritter sah sie an, als hätte ein Tier gesprochen. »Du irrst. Dein zartes Geschlecht macht dich gütig, und das steht dir gut zu Gesicht. Aber die Wahrheit ist, daß selbst der gnädige Gott ein harter Richter ist. Der Verräter verdient eine harte Strafe.«
    Ihre Lippen bebten. Die Worte waren nicht mehr aufzuhalten. »Nun, wenn Gott richtet –«
    »Schweig!« Wie ein Peitschenhieb knallte das Wort. »Du verstehst nicht«, zischte Latimer, »wozu ein verwundetes Herz in der Lage ist.«
    »Vergebt meiner haltlosen Frau.« Elias verneigte sich und griff dabei nach Catherines Arm. Grob zog er sie mit hinab.
    Als sie sich aufrichteten, lösten sich die Falten im Gesicht des Ritters. Die Stirn glättete sich, der verkniffene Mund weichte auf. »Natürlich.« Er nickte, fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich habe euch rufen lassen, um euch zu belohnen. Ihr sollt ein Pferd erhalten, einen kostbaren Zelter. Ich denke, damit seid ihr mehr als ausbezahlt.«
    Elias wisperte: »Ihr seid sehr großzügig, Herr Ritter.«
    »Wirst du ihn verkaufen oder ihn behalten?«
    »Ich weiß es noch nicht, Herr.«
    »Wenn du ihn verkaufst, fordere einen hohen Preis. Ich möchte meinen teuren Warin nicht unterschätzt sehen. Du weißt, was einen Zelter auszeichnet?«
    |34| Elias zögerte, dann schüttelte er den Kopf.
    »Zelter beherrschen den Paßgang. Das Pferd bewahrt eine

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