Die Brillenmacherin
Hause.«
»Da beziehe ich Prügel«, bekannte einer und erntete mitleidiges Schulterklopfen von seinen Kumpanen. Ein anderer sagte: »Ich zahle den dreifachen Preis für einen Becher Ale!«
Der Wirt schüttelte den Kopf.
»Kann ich anschreiben lassen?«
»Ist schon notiert.« Der Wirt griff diesem und jenem unter die Arme und zog sie hoch. An der Tür verabschiedete er die Torkelnden: »Wir sehen uns morgen.«
Bald war es still. Während Catherine und Elias noch den wäßrigen Wein schlürften, schüttete der Wirt Stroh in eine Ecke des Raums. Sie erhoben sich.
»Darf ich?« fragte der Wirt und wies auf die Öllampen auf dem Wagenrad.
»Natürlich.« Als wäre es sein Haus, trat Elias zur Tür und verriegelte sie.
Der Wirt kletterte auf einen Stuhl. Eine nach der anderen blies er die Lampen aus. Schließlich war es so finster, daß Catherine die Hand nicht mehr vor den Augen sah.
»Weckt uns bei Sonnenaufgang«, befahl Elias.
»Wie Ihr wünscht. Gute Nacht.«
Elias umfaßte ihre Hüfte. Er rieb seine Nase an ihrer, küßte sie. Auf das Stroh zog er Catherine hinunter. Sie spürte seine |37| Fingerspitzen auf ihrem Gesicht, an ihrem Nacken, am Hals. Die Dunkelheit verstärkte die Berührungen, machte sie gefährlich und zauberhaft zugleich.
Gleichmütig nahm es der Zelter hin, daß ihm der Hafersack vom Kopf geschnallt wurde. Rotes Morgenlicht sickerte über die Straße, und Warin schritt darauf den Hügeln entgegen. Zur Mittagszeit sahen sie den Kirchturm von Tilton on the Hill. Staubwolken schwebten über den Steinbrüchen. In der Ferne klickten Spitzhackenschläge.
Sie nächtigten in Twyford bei einem Schafhirten. Rings um das Dorf sponnen Leuchtkäfer ein Funkennetz zwischen Wasserlöcher und hüfthohe Grasbüsche. Die Schafe blieben hängen darin. Als Elias und Catherine im Nebel des frühen Tages aufbrachen, lag eines von ihnen in der Mitte der Weide wie ein Herrscher, die anderen standen darum herum als Gefolge.
Der Weg verbreiterte sich, nachdem sie Thorpe Satchville passiert hatten. Bei Great Dalby überholten sie einige Viehhirten, die eine Herde Rinder durch die Hügel trieben. Die ersten Gehöfte säumten die Straße. Elias erklärte, Melton Mowbray sei wie eine Blüte aufgebaut. Das Zentrum sei der Markt, die Blütenblätter zahlreiche Höfe, die den Ort umgäben.
Auf einer Erhebung außerhalb der Stadt plusterte sich ein Herrenhaus zur Burg auf. Die Fenster im unteren Stockwerk waren nichts als schmale Schlitze. Im zweiten Stock wuchsen sie zu schlanken Bögen an. Das dritte Stockwerk schließlich lehnte sich auf Holzbalken über die Mauer und zeigte zwischen Schieferdach und Fachwerk bequeme, breite Fensterlaibungen. Auf dem Dach des Hauses wehte der silberne Löwe.
Catherine stutzte. »Das Wappen kenne ich doch! Ist es nicht auch auf den Fahnen zu sehen, die über Nottingham Castle wehen?«
»Richtig. Sag mir, warum.«
Es ärgerte sie, daß er das Pferd anhielt und wartete, als wolle er eine Lehrstunde einlegen. »So wichtig war es mir nicht.«
|38| »Es ist wichtig. Was verbindet Melton Mowbray mit Nottingham?«
»Ach, Elias! Gehen wir weiter. Ich bin müde. Wollten wir nicht heute noch den Zelter verkaufen?«
»Melton Mowbray. Fällt dir etwas auf? Der Name Mowbray vielleicht?«
»Thomas Mowbray ist der Earl von Nottingham.«
»So ist es! Er stammt von hier.«
Der Zelter riß sich aus Elias’ Hand und rupfte Gras am Wegrand. Ungeduldig griff Catherine nach dem Zügel und zog den Wallach weiter.
Elias seufzte. »Du willst es nicht hören? Die hohen Herren sind es, für die ich arbeite. Wir leben von ihrem Geld! Das sollte dir nicht gleichgültig sein.«
Am Tor stauten sich Schafherden. Ein Büttel stritt mit ihren Besitzern um den zu entrichtenden Marktzoll. Catherine wußte bald, daß sie die Stadt nicht mochte. Krähen hockten auf dunklen Lehmziegeldächern und beäugten gierig die Straße nach Abfällen. Die Gassen waren erfüllt von Tiergeschrei und dem Zetern der Menschen. Der Duft von gedünstetem Gedärm vermischte sich mit Kotgestank. Über den Eye führten morsche Brücken, es war ein schlammiger Fluß, der sich durch die Stadt wand, sich teilte, Bögen schlug. Mühlen schaufelten träge sein Wasser. »Wir bleiben nicht lange, ja?«
»Heute verkaufen wir den Zelter, und morgen bei Sonnenaufgang reisen wir weiter.«
So verfallen die Häuser in den Gassen auch waren: Den Marktplatz säumten prunkvolle Bauwerke. Im Schatten überdachter Vorhallen kauften
Weitere Kostenlose Bücher