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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
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stolze Haltung und läuft mühelos, ohne den Reiter zu werfen. Das ist eine seltene Fähigkeit. Im Trab wird man durchgeschüttelt. Im Paßgang nicht. Deshalb schätzen die Edlen einen Zelter, die, die ihn sich leisten können.«
    »Ich verstehe.«
    »Es ist dein Lohn, und der deiner Frau Catherine. Warin ist nicht mehr der Jüngste, aber er wird euch noch einige gute Jahre bescheren. Ich wünsche eine gute Heimreise.«
     
    Von den Türmen der Burg spähten Posten in die Hügel, als wollten sie die Abreise des Brillenmachers sichern. Elias führte den Zelter am Zügel. Über dem Sattel hingen die Werkzeugtaschen, auch der Linsenkasten war festgeschnürt und zwei Bündel mit Brot, Käse und gedörrtem Fisch. Die weißen Haare des Brillenmachers blitzten im Sonnenschein. Er schwieg gnädig, und auch Catherine schwieg, als hätten sie vereinbart, daß er sie nicht schelten würde für ihren Widerspruch vor Sir Latimer und sie sich im Gegenzug aller Fragen enthielt, was die seltsamen Mächte anbelangte, von denen der Ritter gesprochen hatte.
    Endlich brach der Brillenmacher das Schweigen: »Willst du dich nicht auf unser Königsroß setzen?«
    »Nein, setze du dich darauf. Wer weiß, ob es nicht durchgeht, weil es spürt, daß eine Unwürdige es reitet.«
    Sie lachten, und das Lachen sprengte die Beklommenheit. Befreit, nahezu fröhlich machten sie ihren Weg. Die Sonne wärmte ihre Rücken.
    Als die Schieferdächer Market Harboroughs in Sicht kamen, sagte Elias: »Du kannst froh sein, daß du einen klugen Mann geheiratet hast. Ein Dummkopf würde das Pferd hier verkaufen, oder gar in Leicester. Wir aber statten dem Viehmarkt in Melton Mowbray einen Besuch ab. Nirgendwo lassen sich Tiere teurer verkaufen als dort. Und wir müssen dem Wunsch unseres guten Herrn Ritters doch Folge leisten, oder etwa nicht?«
    |35| Catherine betrachtete ihren Mann. Diese Reise war ein Geschenk. Elias saß nicht über seinen Werktisch gebeugt und gab knappe Antworten, nein, er scherzte. Er sah aus, als hätte er aus einem Jungbrunnen getrunken. Das Haar war weiß geblieben, auch die Brauen, aber er hielt den Rücken aufrecht, und aus seinem Gesicht war alle Verbissenheit gewichen.
    Jetzt spitzten sich die schmalen Lippen, und er pfiff ein Lied. »Das ist eine Melodie aus meinen Brabanter Jahren, höre!« Vergnügt warf er die Töne in die Luft. Der Zelter vertrieb einige Fliegen, indem er die Ohren schüttelte. Und plötzlich hielt Elias an, lehnte sich herüber und gab Catherine einen Kuß.
    In Tur Langton, einer Ortschaft mit ausgedehnten Viehweiden, band er den Zelter vor einem Gasthaus an. Es war ein merkwürdiges Gemäuer: Das Strohdach drückte es zu Boden, daß es kaum die Fenster dagegen anzuheben vermochte. Dazu überwucherte noch Efeu die Wände, und Moos sproß auf dem Dach, so daß das Haus wie ein schornsteingeschmückter Hügel die Straße säumte. »The Royal Horseshoe«, erklärte Elias. »Ist das nicht ein passender Name?«
    »Man könnte meinen, hier dürfte nur einkehren, wer ein edles Pferd besitzt wie wir.«
    »Dann hätte der Wirtshof einen Stall.«
    »Hat er nicht?«
    »Ich kenne das Gasthaus. Glaube mir, der Name trügt.«
    Sie traten ein. Träge flackerten Flämmchen unter den niedrigen Deckenbalken, ein halbes Dutzend Ölfunzeln auf einem Wagenrad, das an Ketten herabhing. Der Wirt erhob sich; er hatte inmitten von Tur Langtons Säuferschar gesessen. »Ihr bleibt über Nacht?«
    »So ist es.«
    »Wunderbar! Ich empf–«
    »Gebt Euch keine Mühe«, unterbrach ihn Elias. »Ihr könnt uns nicht in eines Eurer Zimmer locken. Ich bin schon einmal Beute Eurer Flöhe geworden, und das genügt mir.«
    »Ich kann frisches Stroh aufschütten im Schankraum, wenn Ihr lieber hier schlafen wollt.«
    |36| »Tut das. Und bringt uns einen Krug Wein und zwei Becher.« Catherine sah Elias erstaunt an. »Wein?«
    »Er verdünnt ihn mit Wasser. Zwei Pence gebe ich ihm für den Krug, nicht mehr. Das Brunnenwasser ist hier nicht zu genießen.«
    Der Wirt erschien mit dem Krug und zwei Bechern.
    »Zwei Pence«, sagte Elias seelenruhig, »und einen Halfpenny für die Nachtlager.«
    Der Widerspruch des Wirts ging in den gierigen Rufen der Säufer unter, die den Weinkrug erspähten. Und Elias scherte sich weder um das eine noch um das andere. Er zählte dem Wirt die Münzen in die Hand. Der Ärger des Wirts entlud sich auf die Säufer. Er drehte sich nach der Meute um und rief: »Ich habe schon gesagt, es reicht für heute! Geht nach

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