Die Brooklyn-Revue
Zimmer eines vorstädtischen Eigenheims schleppten. Truthahnduft erfüllte das ganze Haus. Edith servierte Drinks. Im Hintergrund sang Frank Sinatra («My Way», wenn ich mich recht erinnere), und die reizende, arg verlegene Rachel verfolgte das alles mit gedemütigter Miene in dem Bewusstsein, dass sie für diese Störung der von ihrer Mutter so sorgfältig geplanten Party verantwortlich war.
Wir brachten den Elefanten nach draußen und stellten ihn kopfüber in das braune Herbstgras. Ich kann michnicht erinnern, wie viele verschiedene Werkzeuge wir aus der Garage holten, aber keins davon half uns weiter. Weder der Harkenstiel noch der Schraubenzieher, weder die Ahle noch der Hammer – nichts. Und der Rasierer sang noch immer seine eintönige Endlosarie. Einige Gäste waren uns in den Garten gefolgt, bekamen aber bald Hunger, froren oder langweilten sich und gingen einer nach dem anderen wieder ins Haus zurück. Nur ich nicht, nicht Nathan Glass, der sich durch nichts von seinem Ziel abbringen ließ. Als ich schließlich begriff, dass alle Hoffnung vergeblich war, nahm ich den Vorschlaghammer und schlug die Toilette in Stücke. Der obstinate Rasierer plumpste ins Gras. Ich schaltete ihn aus, schob ihn mir in die Tasche, ging ins Haus und überreichte ihn meiner errötenden Tochter. Soweit ich weiß, funktioniert das verdammte Ding noch heute.
Ich warf die Geschichte in die mit «Missgeschicke» beschriftete Schachtel, verputzte den Rest der Flasche und kletterte ins Bett. Um ehrlich zu sein (wie kann ich dieses Buch schreiben, wenn ich nicht ehrlich bin?), masturbierte ich mich in den Schlaf. Indem ich mir angestrengt ausmalte, wie Marina Gonzalez ohne Kleider aussehen mochte, versuchte ich in mir die Illusion zu wecken, gleich werde sie ins Zimmer treten und zu mir unter die Decke schlüpfen, um sich mit ihrem glatten warmen Leib fest an mich zu schmiegen.
ÜBERRASCHUNG IN DER SAMENBANK
W ie der Zufall es wollte, kamen Tom und ich tags darauf beim Mittagessen (diesmal in einem japanischen Restaurant, da Marina im Diner ihren freien Tag hatte) unter anderem auf das Thema Masturbation zu sprechen. Es begann mit meiner Frage, ob es ihm gelungen sei, den Kontakt zu seiner Schwester wiederherzustellen. Soweit ich wusste, war sie das letzte Mal vor Junes Tod gesehen worden, als sie nach New Jersey gekommen war, um die kleine Lucy zurückzuholen. Das war 1992, vor gut acht Jahren, und da Tom sie tags zuvor nicht erwähnt hatte, nahm ich an, meine Nichte sei irgendwie vom Erdboden verschwunden, und niemand habe mehr etwas von ihr gehört.
Falsch. Ende 1993, kein Jahr nach der Beerdigung meiner Schwester, tüftelten Tom und zwei seiner Kommilitonen einen Plan aus, wie sie schnell an Geld kommen konnten. Am Stadtrand von Ann Arbor gab es eine Klinik, an der künstliche Befruchtungen durchgeführt wurden, und die drei beschlossen, der Samenbank ihre Dienste als Spender anzubieten. Sie hätten das als Jux aufgefasst, sagte Tom, keiner von ihnen habe sich Gedanken gemacht, was das für Konsequenzen haben könnte: Phiolen mit Ejakulat zu füllen, mit dem Frauen geschwängert wurden, die sie niemals sehen oder in den Armen halten würden und die wiederum Kinder zur Welt brachten –
ihre Kinder
–, von deren Namen, Leben und Schicksalen sie niemals etwas erfahren würden.
Jeder der drei wurde in einen kleinen, separaten Raum geführt, und um die Spender auf ihr Vorhaben einzustimmen, hatte die Klinik ihnen fürsorglich einen Stapel Sexmagazine bereitgelegt – jede Menge Fotos von nackten jungen Frauen in aufreizenden erotischen Posen. Wie das Tier im Manne nun einmal ist, kommt es selten vor, dass der Anblick solcher Bilder keine heftige Erektion auslöst. Ernsthaft wie in allen Dingen, setzte Tom sich gewissenhaft aufs Bett und begann in den Magazinen zu blättern. Nach zwei Minuten hingen ihm Hose und Unterhose um die Knöchel, mit der Rechten hatte er seinen Schwanz gepackt, mit der Linken schlug er weiter die Seiten um, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Sache erledigt war. Dann aber erblickte er in einem Heft, das er später als
Midnight Blue
identifizierte, seine Schwester. Kein Zweifel, das war Aurora – ein Blick, und Tom hatte sie erkannt. Sie hatte sich nicht einmal einen anderen Namen zugelegt. Die sechs Seiten mit über einem Dutzend Fotos standen unter dem Motto «Rory die Prachtfrau» und zeigten sie in verschiedenen Stadien der Entblößung: auf einem Bild im durchsichtigen Nachthemd, auf
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