Die Bruderschaft Christi
aus dem Berchtesgadener Land zurückgekehrt. Er war hundemüde, zog sich aus und fiel ins Bett. Noch vor Sonnenaufgang wachte er auf, geschüttelt von einem starken Hustenanfall. Blutiger Auswurf war im Taschentuch. Erst nachdem er seine Medizin genommen hatte, beruhigte er sich wieder ein wenig. Grübelnd saß er auf der Bettkante.
»Ihre Lunge ist bestimmt so schwarz wie eine Kohlengrube«, hatte ihm der Arzt beim letzten Besuch vor zwei Monaten gesagt. Bukowski hatte abgewinkt. »Jeder stirbt einmal, der eine früher, der andere später«, hatte er geantwortet. Doch die Hustenanfälle häuften sich in letzter Zeit. Gegen sechs Uhr war er wieder eingeschlafen, bis ihn der Wecker um zehn Uhr unsanft aus einem traumlosen Schlaf riss. Vierzig Minuten später nahm er hinter seinem Schreibtisch auf der Dienststelle Platz. Lisa war noch nicht im Büro. Auf seinem Schreibtisch lag ein dicker Ordner. Das vorläufige Obduktionsergebnis der Leiche vom Watzmannmassiv. Er blätterte in dem Ordner und überflog den Abschlussbericht. Männliche Leiche, zwischen sechzig und achtzig Jahre alt, weitestgehend gesund, bis auf die alterstypischen Abnutzungserscheinungen. Er starb, nach vorläufigem Befund, an einem multiplen Organversagen, das auf den hohen Blutverlust zurückgeführt werden kann. Die Amputation der Hände und die Verletzungen im Gesichtsbereich sind ihm postmortal zugefügt worden. Da wollte jemand sichergehen, dass er nicht so einfach identifiziert werden konnte. Zwar war im ausreichenden Maße DNA-Material vorhanden, aber die Täter wussten offenbar, wie langwierig eine Identifikation anhand des Erbmaterials war. Eine Überprüfung der Vermisstendateien war negativ verlaufen, und der aufgefundene Schlüssel mit dem Horus-Auge als Anhänger konnte bislang noch keiner Tür zugeordnet werden. Bukowski hatte die Überprüfung nach Vermissten deutschlandweit ausweiten lassen. Von der Spurensicherung lag ebenfalls ein Bericht vor. Demnach wurden im Kofferraum des sichergestellten BMW mit französischer Zulassung Blutreste gefunden, die mit der Blutgruppe des Mordopfers identisch waren. Der DNA-Abgleich war veranlasst.
Es war schon paradox. Bukowski kannte zwar die Täter, aber vom Opfer und vom Motiv der Täter wusste er so gut wie nichts. Er lehnte sich zurück und ging in Gedanken noch einmal alles durch. Begonnen hatte die Sache vor über sechs Wochen mit dem als Unfall getarnten Mord an dem Pfarrer der Wieskirche. Anschließend war der Mönch im Kloster Ettal auf grausame Art und Weise zu Tode gefoltert worden. Man fand ihn über Kopf gekreuzigt, so wie den Toten vom Watzmann. Offenbar hatten die Täter bei diesen beiden Taten das Bedürfnis, ein Zeichen zu setzen. Doch wem wollte man damit drohen? Bukowski seufzte.
Ein paar Tage später dann der Einbruch in die Wieskirche. Was hatten die Täter dort gesucht?
Zufälligerweise war ihnen der Messdiener in die Quere gekommen. Auch er hatte sterben müssen. Und jetzt der Mord am Fuße des Watzmanns. Und hinter allem steckten der Mann mit dem Teufelsgesicht und sein Komplize, der Boxer, wie ihn die junge Frau aus Mitterbach nannte. Ein Mafiakiller und ein Krimineller aus Südfrankreich. Was verband die beiden?
Der eine, ein Profi, der für Geld mordete, und der andere ein hirnloser Totschläger. Hatten sie sich vielleicht in einem Gefängnis getroffen?
Bukowski schüttelte den Kopf. Santini war, obwohl er auch in Frankreich wegen Mordes gesucht wurde, noch nie in einem französischen Gefängnis gewesen. Und Mardin, der Boxer, auch er war seit Jahren nicht mehr in Haft genommen worden. Seine Akte hatte sich Bukowski bereits in der gestrigen Nacht zukommen lassen.
Und dann noch die Umstände ihrer Flucht. Ein Hubschrauber hatte sie abgeholt. Also steckte ein Auftraggeber hinter der Sache. Santini und Mardin waren nichts weiter als eine Zweckgemeinschaft und auf der Suche nach irgendetwas oder irgendjemandem. Der Tod des Mannes am Fuße des Watzmann-Massivs konnte unbeabsichtigt gewesen sein. Sie hatten sich noch weiterhin dort aufgehalten. Also hatte weder die Folter noch ihre weitere Suche Erfolg gehabt. Doch was konnte es sein, das sie mit aller Macht suchten?
»Es muss eine Sache sein«, murmelte Bukowski. »Warum hätten sie sonst in die Kirche einbrechen sollen? Eine Person hätte sich bestimmt nicht darin vor ihnen versteckt.«
Er erhob sich und ging an den Schrank. Mit der Ermittlungsakte kehrte er an seinen Schreibtisch zurück. Er nahm sich noch einmal die
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