Die Bruderschaft Christi
antwortete der Mann im schwarzen Anzug. Der weiße Rundkragen war geschlossen, obwohl die Temperatur bei über dreißig Grad lag.
»Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt«, antwortete Benoit. »Mardin ist mir gleichgültig, aber Santini kann ich nicht opfern. Er ist zu wertvoll.«
»Sollten wir nicht in erster Linie an die Sache denken?«
»Noch haben wir die Kontrolle, und daran wird sich auch nichts ändern«, antwortete Benoit und trank sein Glas leer.
41
Rom, Sanctum Officium …
Pater Leonardo war erschüttert. Er fühlte sich benutzt, ja sogar missbraucht. Zwar wusste er um die starren hierarchisch geprägten Strukturen innerhalb der Kirchenadministration, dennoch hatte ihm der Kardinalpräfekt übel mitgespielt und ihn ohne weitere Hintergrundinformationen auf eine Mission geschickt, die er eigentlich nur bewältigen konnte, wenn er die Zusammenhänge kannte.
Was steckte hinter dieser Bruderschaft Christi und was konnte der Kirche so gefährlich werden, dass der Kardinalpräfekt eigens seinen Sekretär nach Jerusalem schickte? Nachdem Pater Leonardo sein Büro betreten hatte, schloss er entgegen seiner sonstigen Gewohnheit von innen ab. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und fuhr seinen Computer hoch. Er aktivierte seinen Internetbrowser, dann eine Suchmaschine und gab den Begriff confriére Jesú Christ ein. Es dauerte eine Weile, bis sich der Bildschirm erneut aufbaute. Er überflog die Suchergebnisse, doch es gab keinen Eintrag, der seiner Suche entsprach. Er atmete tief ein. Erneut rief er die Eingabemaske auf. Diesmal gab er den Namen des Mannes ein, der zusammen mit Raful an den Ausgrabungen von Qumran teilgenommen hatte und dessen Engagement am gleichen Tag wie offenbar auch Rafuls beendet wurde.
Es gab über fünfzigtausend Funde, die den Namen Yigael Jungblut enthielten. Die erste Seite wies auf Jungblut hin, der als Professor an der Universität in München im Fachbereich Archäologie unterrichtete. Der eingestellte Artikel war erst ein paar Jahre alt. Er las ihn aufmerksam. Demnach musste der Professor noch immer in Deutschland, irgendwo im Berchtesgadener Land, leben. Als er einen weiteren Eintrag las, rieb er sich resignierend das Kinn. Yigael Jungblut war offenbar vor ein paar Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Enttäuscht stützte er sein Kinn auf seine Hände. Kaum hatte er eine Spur gefunden, schon war sie wieder verraucht. Erneut ging er auf die Auflistung der Suchmaschine zurück. Der dritte Artikel stammte aus der Berchtesgadener Tageszeitung. Demnach war Professor Jungblut für seine Verdienste um den Ausbau der Abteilung für hebräische Schriften in der Münchner Universitätsbibliothek mit einer Medaille und einer Urkunde des Bayerischen Kultusministeriums ausgezeichnet worden. Pater Leonardo überflog den Artikel. Als sein Blick auf das Datum des Artikels fiel, stutzte er. Der Artikel stammte aus dem letzten Jahr. Sogar ein Bild gab es dazu. Professor Jungblut stand gebeugt neben einem Vertreter des Kultusministeriums und stützte sich auf einen Gehstock. Der Professor wirkte krank und ausgezehrt, doch er war lebendig. Die Miene des Paters hellte sich wieder auf. Er schränkte die Suche ein und schrieb den Namen Rafuls in das Eingabefeld. Über dreißig Einträge waren vorhanden. Offenbar hatten Raful und Jungblut über die Jahre hinweg zusammengearbeitet. Vor allem zur Thematik des Templerordens gab es diverse Aufsätze und Schriften, die Jungblut und Raful gemeinsam verfasst hatten.
Noch einmal rief Pater Leonardo die Seite der Berchtesgadener Zeitung auf und suchte darin nach der Adresse von Jungblut. Doch der Artikel sprach nur davon, dass der Professor seinen Lebensabend im Berchtesgadener Land verbrachte. Gerade wollte er die Seite schließen, als eine Schlagzeile am Seitenmenü seine Aufmerksamkeit erregte. Sie lautete: Unbekannte Leiche am Watzmann, gekreuzigtes Mordopfer wurde brutal misshandelt.
Ein gekreuzigtes Opfer? Pater Leonardo rief den Artikel auf. Als er ihn las, stockte ihm der Atem. Er griff zum Telefon und rief einen der Administratoren an.
»Ich brauche einen Flug nach München«, sagte er. »Heute noch, es ist dringend.«
München, Bayrisches Landeskriminalamt …
Der Rückruf hatte nicht lange auf sich warten lassen. Bukowski erhob sich und griff nach seiner Jacke.
»Wo willst du hin?«, fragte Lisa.
»Ich treffe mich in zwei Stunden mit dem zuständigen Sicherheitsinspektor der Sicherheitsdirektion
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