Die Bruderschaft Christi
wissen nicht, ob sich in dem alten Gemäuer überhaupt Sauerstoff befindet. Bring mir eine Taschenlampe.«
Yaara kletterte behände die Leiter hinauf. Niemand war in der Nähe. Die jüngste der vier Gruben im Olivenhain sollte erst am Ende der Woche Ziel weiterer Ausgrabungen werden. Deshalb hatten Moshav, Yaara und Tom alleine dort gearbeitet und eigentlich nur Sicherungsmaßnahmen und erste Probegrabungen durchführen sollen.
»Hilfe!«, rief Yaara, als sie auf die kleine Zeltstadt zulief. »Helft mir, Tom ist eingebrochen und in eine Höhle gestürzt!«
Die gesamten Mitarbeiter und Gehilfen hatten sich unter dem großen Zelt zum Frühstück versammelt.
»Tom ist eingebrochen!«, rief Yaara noch einmal von weitem. »Ich brauche Hilfe!«
Professor Jonathan Hawke sprang auf, als er Yaara auf das Zelt zulaufen sah. Der leichte Wind wehte ihre Worte zu ihm herüber.
»Verdammt!«, fluchte er und lief ihr entgegen. »Schnell, besorgt alles, was wir zur Bergung brauchen!«, befahl er. »Vergesst die Sauerstoffflaschen nicht!«
Für die Bergung von Verschütteten gab es bei jeder Ausgrabung einen entsprechenden Notfallplan und eine Schutzausrüstung. Schließlich drangen die Forscher vor allem zu Beginn der Erschließung eines Grabungsfeldes in Regionen vor, in denen das ungesicherte Erdreich jederzeit nachrutschen oder Höhleneingänge einbrechen konnten. Zwei Angehörige des Teams waren in der Erstversorgung von Verletzten ausgebildet.
Als Yaara das Zelt erreichte, brach sie erschöpft zusammen.
»Schnell!«, stieß sie atemlos hervor. »Der Boden hat nachgegeben. Tom ist eingebrochen. Dort ist eine Höhle oder ein Kellergewölbe. Wir müssen schnell … eine Taschenlampe, Moshav ist dort … eine Taschenlampe.«
Professor Hawke beugte sich zu ihr hinab. Er umarmte Yaara. »Das Team ist auf dem Weg.«, sagte er und strich ihr über die Schulter. Tränen liefen Yaara über das Gesicht.
»Ihr müsst ihn retten«, stöhnte sie.
»Wir holen ihn dort raus«, beruhigte Hawke die schluchzende Frau. »Beruhige dich, wir bringen ihn dir wieder.«
Steingaden im Pfaffenwinkel, Oberbayern …
Die Nacht war dunkel, Neumond. Nicht einmal die cremefarbene Fassade der Wieskirche hob sich von der Dunkelheit ab. Und hätte nicht das Licht im benachbarten Haus des Küsters die Finsternis zerschnitten, hätte niemand geahnt, dass sich auf der kleinen Anhöhe, direkt hinter den ausgedehnten Wiesen, ein wahres Schmuckstück von Kirche verbarg.
Die beiden Männer in ihren dunklen Overalls hielten ihre Köpfe unter einer schwarzen Sturmhaube verborgen und verschmolzen mit der Nacht. Sie wussten genau, wo die Kirche stand und von welcher Seite sie ungesehen an die kleine Tür zur Sakristei, unterhalb des Glockenturms, gelangen konnten.
Es war weit nach Mitternacht, und das Licht im Haus des Küsters brannte die ganze Nacht hindurch. Das alles wussten die beiden nächtlichen Eindringlinge, die sich schon seit dem gestrigen Tag in der Gegend aufgehalten und die Kirche bei Tag bereits besichtigt hatten. Schließlich war die Wieskirche bei Steingaden eine von Touristen gerne besuchte Sehenswürdigkeit im schönen Oberbayern und mittlerweile zum UNESCO-Kulturgut erklärt worden. Das Kunstwerk aus dem Bayerischen Rokoko zog im Sommer täglich hunderte Besucher an, und selbst im Winter verirrten sich Menschen in den Pfaffenwinkel, um der kleinen Kirche einen Besuch abzustatten. Das alles war den beiden Gestalten egal, sie hatten weder einen Blick für den verschnörkelten Kirchenbau, noch waren sie empfänglich für die Schönheit, die Ruhe und die Anmutigkeit der Umgebung. Sie hatten ein klar definiertes Ziel, eine Aufgabe von höchster Priorität, und alleine aus diesem Grund waren sie hier.
Die hölzerne Tür zur Sakristei bot kein Hindernis. Sie hatten einen Schlüssel, der ihnen jedes Tor und jede Tür in diesem Anbau erschloss. Sie sprachen nicht miteinander, sie verstanden sich blind. Jeder von ihnen wusste, welche Aufgabe er hier zu erfüllen hatte und wie wichtig dieser Auftrag war.
Nachdem sie lautlos in das Gebäude eingedrungen waren, zückten sie ihre Taschenlampen. Vorsichtig durchquerten sie den Raum und drangen in das Innere der Kirche ein. Den sakralen Kunstwerken widmeten sie keinen Blick. Das Predigtpult war alles, wofür sie sich interessierten. Sie suchten mit ihren Taschenlampen den hölzernen Standfuß ab, bis sie die richtige Stelle entdeckten. Der größere der beiden kniete sich zu Boden und fuhr
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