Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
junges Mädchen und meint am besten zu wissen, was gut für sie ist. Und ich wollte mich nicht einmischen. Sie wollte aber weiter bei mir arbeiten, und das war mir nur recht. Bei uns lief’s in letzter Zeit nicht ganz so gut, so wie überall, aber ich muss mit dem Laden nicht mehr verdienen, als ich brauche, um meine Rechnungen zu bezahlen, und das kann ich immer noch, und ich habe sogar etwas Geld übrig. Ich brauche nicht mehr Personal, und vermutlich könnte man sogar sagen, dass ich nicht alle Leute brauche, die ich habe, aber sie brauchen die Arbeit, und einem alten Mann tut es gut, wenn er junge Leute um sich hat.«
Er trank seinen Kaffee aus und schaute sehnsüchtig zu der Kanne auf der anderen Seite des Tresens. Kyle, der den Herd putzte, blickte auf, als verfüge er über telepathische Fähigkeiten, und sagte: »Hol dir die Kanne, wenn du noch welchen willst. Ich schütte ihn sonst bloß weg.«
Bennett ging zur anderen Seite des Tresens und goss uns beiden noch etwas Kaffee ein. Als er das getan hatte, blieb er stehen, starrte durch das Fenster auf das alte Gerichtsgebäude und dachte darüber nach, was er als Nächstes sagen sollte.
»Tobias ist älter als sie: Mitte dreißig. Zu alt und zu verkorkst für ein Mädchen wie sie. Ist im Irak verwundet worden, hat ein paar Finger verloren und ist am linken Bein versehrt. Er fährt jetzt einen Lastwagen. Er ist selbständiger Unternehmer, jedenfalls nennt er sich so, aber er scheint seine Arbeit ziemlich lässig zu nehmen. Er hatte immer Zeit, um sich mit Damien rumzutreiben, und er ist immer bei Karen, jedenfalls öfter als jemand, der eigentlich unterwegs sein und seinen Lebensunterhalt verdienen sollte. So als müsste er sich keine Sorgen wegen dem Geld machen.«
Bennett nahm ein Sahnekännchen und goss etwas in seinen Kaffee. Dann schwieg er wieder. Ich war mir ziemlich sicher, dass er lange darüber nachgedacht hatte, was er sagen sollte, aber ich erkannte auch, dass er vorsichtig war und nicht alles laut aussprechen wollte.
»Weißt du, ich habe nichts als Hochachtung vor dem Militär. Bei einem Mann wie meinem Vater ist mir ja gar nichts anderes übriggeblieben. Wenn mein Augenlicht nicht so schlecht gewesen wäre, wäre ich vermutlich nach Vietnam gegangen, und möglicherweise würden wir dann dieses Gespräch gar nicht führen. Vielleicht wär ich gar nicht hier, sondern irgendwo unter einem weißen Stein begraben. Jedenfalls wär ich dann ein anderer Mensch und vielleicht sogar ein besserer.
Ich weiß nicht, ob dieser Krieg im Irak richtig oder falsch ist. Scheint mir ein bisschen weit weg zu sein, und ich sehe nicht ein, wofür er gut sein soll, zumal viele Menschen ihr Leben verlieren, aber womöglich wissen klügere Köpfe irgendwas, das ich nicht weiß. Aber noch schlimmer ist, dass sie sich nicht um die Männer und Frauen kümmern, die zurückkommen, jedenfalls nicht so, wie sie es tun sollten. Mein Vater ist versehrt aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekommen, aber er hat es nicht gewusst. Er war durch ein paar Sachen, die er gesehen und gemacht hat, traumatisiert, aber die Ärzte hatten damals noch keinen Namen dafür, oder die Leute haben einfach nicht verstanden, wie schlimm so was sein konnte. Als Joel Tobias ins Downs kam, habe ich sofort gemerkt, dass er auch versehrt war, und nicht nur an der Hand und am Bein. Er hat innerlich gelitten, wurde regelrecht vor Wut zerfressen. Ich konnte es riechen, konnte es ihm an den Augen ansehen. Das musste mir nicht eigens jemand sagen.
Versteh mich nicht falsch: Er hat genauso das Recht, glücklich zu sein, wie jeder andere, vielleicht sogar mehr, wegen der Opfer, die er gebracht hat. Durch den Schmerz, den er durchmacht, sei es geistig oder körperlich, wird ihm dieses Recht nicht genommen, und es könnte sein, dass unter normalen Umständen jemand wie Karen gut für ihn wäre. Aber sie ist ebenfalls verletzt. Ich weiß nicht, inwiefern, aber irgendwas ist da, und deswegen hat sie Verständnis für andere, die wie sie sind. Ein guter Mann könnte dadurch geheilt werden, wenn er es nicht ausnutzt. Aber ich glaube nicht, dass Tobias ein guter Mann ist. Darauf läuft es hinaus. Er ist für sie der Falsche, und er macht da auch einfach einen Fehler.«
»Woran können Sie das erkennen?«, fragte ich.
»Kann ich nicht«, sagte er, und ich hörte, wie ungehalten er deswegen war. »Nicht mit Sicherheit. Aber ich habe so ein Gefühl im Bauch, und mehr als nur das. Er fährt einen eigenen Sattelzug, und
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