Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Abends hatten er und zwei andere sich eine DVD angesehen, die ihnen ihr Dolmetscher gegeben hatte und auf der jemand enthauptet wurde. Sie hatten es alle sehen wollen, aber er hatte es bereut, sobald es anfing. Da kauerte ein Mann am Boden, kein Amerikaner, denn sie wollten nicht sehen, wie einer der Ihren getötet wurde, sondern irgendein armer schiitischer Mistkerl, der falsch abgebogen war und angehalten hatte, als er das Gaspedal hätte durchtreten und es auf ein paar Kugeln hätte ankommen lassen sollen. Ihn bestürzte vor allem, wie nüchtern der Henker gewesen war, wie ungerührt er sich seiner Aufgabe widmete – wie systematisch er mit dem Messer zu Werke ging, wie unerbittlich und gekonnt, als ginge es um das rituelle Töten eines Tieres. Ein schrecklicher Tod, aber ohne jeden Sadismus, abgesehen vom Töten an sich. Hinterher hatten sie alle das Gleiche gesagt: Lasst nicht zu, dass sie mich kriegen. Wenn es eine Chance gibt und ihr seht, was kommt, dann bringt mich um. Bringt uns alle um.
Die Schiiten hingegen folterten. Sie hatten eine besondere Vorliebe für Elektrobohrer: Knie, Ellbogen, Unterleib, Augen. Das war’s: Die Sunniten enthaupten, die Schiiten foltern, und alle verehren den gleichen Gott, abgesehen davon, dass sie sich darüber stritten, wer nach Mohammeds Tod die religiöse Führung übernommen hatte, und deswegen hackten sie jetzt Köpfe ab und bohrten Knochen an. Alles drehte sich um Quisas – Vergeltung. Er war nicht weiter überrascht, als ihm der Dolmetscher erklärte, dass man laut islamischem Kalender noch das fünfzehnte Jahrhundert schrieb, 1425 oder so was Ähnliches, als er in den Irak kam. Das konnte er nachvollziehen, denn diese Leute benahmen sich, als wären sie noch im Mittelalter.
Aber jetzt waren sie an einem modernen Krieg beteiligt, einem Krieg, der mit Nachtsichtgeräten und schweren Waffen ausgetragen wurde. Sie reagierten mit Panzerbüchsen, Mörsern und Bomben, die in toten Hunden versteckt waren. Wenn sie die nicht hatten, benutzten sie Steine und Messer. Sie antworteten auf das Neue mit dem Alten. Alten Waffen und alten Namen: Nergal und Ninazu und derjenige, dessen Name in Vergessenheit geraten war. Sie legten die Falle und warteten darauf, dass sie kamen.
25
Die Ersten, die zu Proctors Motel kamen, war zwei Staatspolizisten aus Skowhegan. Ich war ihnen noch nie begegnet, aber einer von ihnen kannte meinen Namen. Nach einer kurzen Vernehmung ließen sie mich im Lexus sitzen, während wir auf die Kriminalpolizisten warteten. Die Cops plauderten miteinander, ließen mich aber in Ruhe, bis nach etwa einer Stunde die Detectives aufkreuzten. Inzwischen ging die Sonne unter, so dass sie ihre Taschenlampen zückten, bevor sie sich ans Werk machten.
Wie sich herausstellte, war ich einem von ihnen schon mal begegnet. Sein Name war Gordon Walsh, und er wirkte wie ein rechter Grobian, als er aus seinem Auto stieg. Mit seiner großen Sonnenbrille wirkte er wie ein Käfer, der sich so weit entwickelt hatte, dass er einen Anzug tragen konnte. Er war einst Footballspieler gewesen und in Form geblieben. Er war zehn bis zwölf Zentimeter größer und gut zwanzig Kilo schwerer als ich. Eine Narbe zog sich quer über sein Kinn, wo jemand die Frechheit besessen und ihn mit einer Flasche geschnitten hatte, als er noch Streife fuhr. Ich wollte gar nicht daran denken, was mit dem Angreifer passiert war. Vermutlich versuchte man immer noch die Flasche herauszuoperieren, wo Walsh sie ihm reingerammt hatte.
Bei ihm war ein kleinerer, jüngerer Detective, den ich nicht kannte. Er wirkte wie ein Anfänger und strahlte eine Ernsthaftigkeit aus, die seine Unsicherheit nicht ganz kaschieren konnte, wie ein Füllen, das mit dem Hengst mithalten wollte, der es gezeugt hatte. Walsh schaute mich an, sagte aber nichts, dann folgte er einem der Staatspolizisten zu dem Zimmer, in dem Proctors Leiche lag. Bevor er eintrat, rieb er sich Wick VapoRub unter die Nase, blieb aber trotzdem nicht lange drin und atmete ein paarmal tief durch, als er wieder herauskam. Danach begaben sich er und sein Partner zu der Hütte und stöberten eine Zeitlang darin herum. Danach untersuchten sie den Pick-up und übersahen mich geflissentlich. Walsh hatte offenbar die Schlüssel gefunden, denn er steckte ihn ins Zündschloss und drehte ihn um. Der Pick-up sprang auf Anhieb an. Er stellte den Motor ab und sagte dann etwas zu seinem Partner, bevor sie beschlossen, sich meiner Wenigkeit zu widmen.
Walsh schnalzte
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