Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
Vom Netzwerk:
umbauten, aber offenbar hatte Stunden recht gehabt: Alles deutete darauf hin, dass die Proctors von Anfang an schlecht beraten waren, als sie hier ein Motel errichteten. Jetzt waren die Türen und Fenster sämtlicher Zimmer mit Brettern vernagelt, zwischen den rissigen Steinen des Parkplatzes wucherte Gras, und Efeu kroch an den Wänden empor und über das flache Dach. Wenn es lange genug stehen blieb, würde es sich zu den anderen Geisterstätten und verlassenen Siedlungen gesellen, von denen es in diesem Staat so viele gab.
    Ich drückte auf die Hupe und wartete. Niemand kam aus der Hütte oder dem umliegenden Wald. Ich dachte daran, was Stunden über Proctor gesagt hatte. Ein Veteran, der hier draußen in der Wildnis lebte, hatte wahrscheinlich eine Knarre, und wenn Proctor so gestört war, wie Stunden angedeutet hatte, wollte ich nicht, dass er mich für eine Bedrohung hielt. Sein Pick-up stand noch da, folglich konnte er nicht weit weg sein. Ich hupte erneut, stieg dann aus dem Auto und lief zu der Hütte. Unterwegs warf ich einen kurzen Blick ins Führerhaus des Pick-ups. Eine offene Packung Donuts lag auf dem Beifahrersitz. Sie wimmelte vor Ameisen.
    Ich klopfte an die Hüttentür und rief Proctors Namen, aber niemand antwortete. Ich spähte durch ein Fenster. Der Fernseher lag zerschlagen am Boden, und daneben sah ich die verstreuten Einzelteile eines Telefons. Das Bett war ungemacht, eine vergilbte Zudecke lag auf dem Boden wie geschmolzene Eiscreme.
    Ich kehrte zur Tür zurück und rechnete fast damit, dass ein aufgebrachter Proctor aus dem Wald gestürmt kam und mit einer Knarre herumfuchtelte, dann probierte ich die Tür zu öffnen. Sie ging mühelos auf. Fliegen summten herum, und weitere Ameisenkolonnen marschierten über den Linoleumboden. Die ganze Bude stank nach Zigarettenqualm. Ich schaute in den Kühlschrank. Die Milch hatte das Verfallsdatum noch nicht überschritten, wenn auch nur knapp, und Proctor hielt anscheinend nicht viel von gesunder Kost, denn ansonsten war der Kühlschrank voller Lebensmittel, die einem Ernährungsspezialisten jeden Lebensmut geraubt hätten: billige Fertiggerichte, Burger für die Mikrowelle, Industriefleisch. Nirgendwo waren Obst oder Gemüse zu sehen, und mindestens die Hälfte des Stauraums war Colaflaschen vorbehalten. Der Müllsack in der einen Ecke war voller weggeworfener Pommesschachteln, Hühnchenkartons, Burgerverpackungen von Fast-Food-Buden, zusammengedrückten Red-Bull-Dosen und leeren Vicks-Nyquil-Fläschchen. Von etlichen Suppen- und Bohnendosen einmal abgesehen, standen in Proctors Regalen hauptsächlich Süßigkeiten und Kekse. Außerdem fand ich zwei große Kaffeedosen und ein halbes Dutzend billige Gin- und Wodkaflaschen. Im Schlafbereich stieß ich auf weitere Nyquil-Fläschchen, einen Haufen Antihistamine und ein paar Packungen Sominex. Proctor lebte offenbar von Aufputschmitteln – Zucker, Energy-Drinks, Koffein und Nikotin – und nahm dann frei verkäufliche Medikamente, damit er schlafen konnte. Außerdem lag eine leere Packung Clozapin herum, die ihm kürzlich von einem hiesigen Arzt verschrieben worden war, was wiederum hieß, dass Proctor so verzweifelt war, dass er professionelle Hilfe gesucht hatte. Clozapin war ein Antipsychotikum, das als Beruhigungsmittel und zur Behandlung von Schizophrenie verwendet wurde. Ich dachte an mein Gespräch mit Bernie Kramers Schwester, der zufolge Kramer Stimmen gehört hatte, bevor er sich das Leben nahm. Ich fragte mich, welche Stimmen Harold Proctor hörte.
    Auf dem Bett lagen die Schlüssel für den Pick-up und ein leeres Holster.
    Ich durchsuchte die Hütte weiter, und dabei fand ich den Umschlag mit dem Geld. Er lag offen unter der Matratze und enthielt 2500 Dollar in Zwanzigern und Fünfzigern, alle ordentlich sortiert und mit der Vorderseite nach oben. Selbst hier draußen war es kaum nachvollziehbar, dass ein Mann so viel Geld unter seiner Matratze zurückließ, aber andererseits war nichts von alldem hier nachvollziehbar. Proctor war offenbar eine Zeitlang nicht mehr in seiner Hütte oder seinem Pick-up gewesen. Wenn er vorgehabt hätte abzuhauen, hätte er das Geld mitgenommen und wäre mit dem Pick-up weggefahren. Falls der Pick-up eine Panne haben sollte, hätte er trotzdem das Geld mitgenommen. Ich warf einen weiteren Blick auf den Umschlag. Er war sauber und neu. Er steckte noch nicht lange unter der Matratze.
    Ich steckte das Geld wieder dorthin, wo ich es gefunden hatte, und ging zum

Weitere Kostenlose Bücher