Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
Vom Netzwerk:
Motel. Nur das Büro war nicht mit Brettern vernagelt. Die Tür war nicht abgeschlossen, deshalb warf ich einen Blick hinein. Proctor hatte es offenbar als Lagerraum genutzt: In der einen Ecke stapelten sich Lebensmitteldosen – hauptsächlich Bohnen, Chili und Eintopfgerichte –, dazu Großpackungen Toilettenpapier und ein paar alte Fliegengitter. Von irgendwoher drang ein leises Surren. Hinter der Rezeption war eine geschlossene Tür, die vermutlich in ein Büro führte. Ich hob die Klappe am Schalter hoch und trat durch. Das Geräusch war jetzt lauter. Ich stieß mit dem Fuß die Tür auf.
    Vor mir war eine hölzerne Konsole mit sechzehn kleinen Glühbirnen in je vier Reihen, jede mit einer Ziffer gekennzeichnet. Das Geräusch kam aus einem Lautsprecher neben der Konsole. Ich nahm an, dass es sich um eine alte Gegensprechanlage handelte, über die die Gäste mit der Rezeption in Verbindung treten konnten, ohne das Telefon benutzen zu müssen. Ich hatte so etwas noch nie gesehen, aber möglicherweise hatten sich die Proctors bei der Eröffnung des Motels nicht die Mühe gemacht, sämtliche Zimmer mit Telefonen auszustatten, oder aber sie hatten sich zunächst für diese eigenartige Anlage entschieden und sie dann behalten. Da sich an der Konsole kein Herstellername befand, war es meiner Meinung nach gut möglich, dass die Proctors sie selbst gebaut hatten. Offensichtlich aber gab es in dem Motel noch Strom.
    Das Geräusch machte mich nervös. Es könnte sich lediglich um eine Störung handeln, aber warum jetzt? Außerdem würde die Anlage, ob nun unter Strom oder nicht, nach all den Jahren nicht mehr funktionieren. Andererseits hatte man damals Sachen für die Ewigkeit gebaut, und es war deprimierend, wie leicht wir uns heutzutage von echter Wertarbeit überraschen ließen. Ich checkte die Konsole und tippte dabei auch die Birnen an.
    Als ich die Birne für Zimmer Nummer fünfzehn antippte, fing sie rötlich an zu blinken.
    Ich zog meine Knarre, ging wieder hinaus und lief nach rechts an den Türen entlang. Als ich zu Nummer vierzehn kam, sah ich, dass die Schrauben an dem Brett vor der Tür entfernt waren und das Brett lediglich am Rahmen lehnte. Das Brett an Nummer fünfzehn hingegen war fest angebracht. Nichtsdestotrotz hörte ich von drinnen das Summen der Gegensprechanlage.
    Ich lehnte mich an die Wand zwischen den beiden Zimmern und rief: »Mr Proctor? Sind Sie da drin?«
    Keine Antwort. Rasch schob ich das Brett vor Zimmer Nummer vierzehn beiseite. Die Tür dahinter war geschlossen. Ich probierte den Griff, worauf sie sich mühelos öffnen ließ. Das Tageslicht fiel auf ein blankes Bettgestell, das aufrecht an die Wand geschoben worden war. Zwei Nachttischkästen waren in der einen Ecke übereinandergestapelt. Ansonsten war das Zimmer unmöbliert. Auf dem Teppichboden lagen längliche weiße Kringel, die nach Schimmel rochen. Ich hob einen auf und hielt ihn ans Licht: Es war Holzwolle. Neben den Nachttischkästen lagen ein paar Schaumstoffschnipsel. Ich strich mit der Hand über den Teppichboden und spürte die Abdrücke, die von irgendwelchen Kisten hinterlassen worden waren. Vorsichtig begab ich mich zu dem Badezimmer auf der Rückseite, aber es war leer. Zwischen Zimmer Nummer vierzehn und fünfzehn gab es keine Verbindungstür.
    Ich wollte bereits gehen, als ich die Spuren an der Wand bemerkte. Ich musste meine Taschenlampe einschalten, um sie richtig erkennen zu können. Sie sahen aus wie Handabdrücke, waren aber allem Anschein nach in die Farbe eingebrannt. Asche und abblätternde Farbe lösten sich, als ich sie mit den Fingerspitzen berührte. Ich hatte ein unangenehmes Gefühl, so als wäre hier irgendetwas Unreines, und obwohl das Bett nicht bezogen und der Raum muffig war, hatte ich den Eindruck, dass es unlängst noch bewohnt war, und zwar noch vor so kurzem, dass ich beinahe das verhallende Echo eines Gesprächs zu hören meinte.
    Ich ging wieder hinaus und untersuchte das Brett vor dem Eingang von Zimmer Nummer fünfzehn. Es hätte mit Schrauben befestigt sein müssen, genau wie die anderen Türen, an denen ich vorbeigegangen war, aber ich sah keinerlei Köpfe. Ohne mir allzu viel davon zu versprechen, schob ich die Finger in den Spalt zwischen dem Brett und dem Türrahmen und zog.
    Das Brett löste sich so mühelos, dass ich beinahe rücklings umgefallen wäre. Ich sah, dass es mit einer einzigen Schraube befestigt gewesen war, die durch den Rahmen ins Brett gedreht worden war. Außerdem

Weitere Kostenlose Bücher