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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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zwanzig Jahren auszahlen zu lassen und eine Bar in Boca Raton zu eröffnen.
    Ich hätte also alles, was ich wusste, Walsh übergeben und mich vom Acker machen können. Schließlich standen ihm mehr Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung als mir, und ich hatte keinen Grund zu der Annahme, dass er weniger zielstrebig war als ich. Aber ich wollte das hier machen. Was wäre ich ohne? Deshalb würde ich meine Chancen nutzen; ich würde mich auf ein Tauschgeschäft einlassen, wenn es sein musste, und horten, was ich konnte. Irgendwann muss man seinen Instinkten und sich selbst vertrauen. Ich hatte in all den Jahren, seit meine Frau und mein Kind mir genommen worden waren, etwas gelernt, und ich hatte den Verantwortlichen aufgespürt: Ich verstand mich auf mein Gewerbe.
    Warum?
    Weil ich nichts anderes hatte.
    Jetzt betrachtete ich Stunden, während er über die beiden Selbstmorde nachdachte. Ich ließ die Möglichkeit, dass da ein Zusammenhang bestand, vor ihm baumeln wie eine bunt schillernde Fliege, während ich darauf wartete, dass er anbiss.
    »Da gibt es einen gewissen Geagan, Edward Geagan«, sagte Stunden. »Er wohnt hinter Harolds Motel. Man kommt nicht drauf, es sei denn, man sucht nach ihm, aber er lebt da oben. Wie viele Leute hier in der Gegend, genau wie auch Harold, meidet er die Gesellschaft, aber er ist nicht verschroben oder so. Er ist bloß ruhig. Wenn jemand was wissen könnte, dann Edward.«
    »Ich möchte mit ihm reden, bevor die Cops dazu kommen. Hat er ein Telefon?«
    »Edward? Ich habe gesagt, er ist ruhig, aber ich habe nicht gesagt, dass er primitiv ist. Er macht irgendwas mit dem Internet. Marketing, glaub ich. Ich weiß nicht mal, was ›Marketing‹ ist, aber er hat da oben mehr Computer als die NASA . Und ein Telefon«, fügte er hinzu.
    »Rufen Sie ihn an.«
    »Kann ich ihm versprechen, dass Sie ihm einen Drink spendieren?«
    »Kennen Sie die alten Western, in denen der Held zum Barkeeper sagt, er soll die Flasche dalassen?«
    Stunden zwinkerte.
    »Ich ruf Edward an.«
    Edward Geagan war, wie sich herausstellte, der typische Computerfreak. Er war Mitte dreißig, groß, blass und dünn, hatte lange, rotblonde Haare und trug eine randlose Brille, eine braune Polyesterhose, billige braune Schuhe und ein hellbraunes Hemd. Er sah aus, als hätte man einer Giraffe eine Perücke aufgesetzt und sie durch den örtlichen Discounter gescheucht.
    »Das ist Mr Parker, der Mann, von dem ich dir erzählt habe«, sagte Stunden. »Er möchte dir ein paar Fragen stellen.« Er sprach, als redete er mit einem Kind. Geagan musterte ihn mit hochgezogener Augenbraue.
    »Stunds, warum redest du mit mir, als ob ich schwachsinnig wäre?«, sagte er, aber er klang keineswegs unfreundlich, nur leicht belustigt und vielleicht ein bisschen ungeduldig.
    »Weil du so aussiehst, als ob du ans MIT gehörst, aber nicht in ’nen Wald im Franklin County«, sagte Stunden. »Ich habe das Gefühl, dass ich auf dich aufpassen sollte.«
    Geagan grinste ihn an, und zum ersten Mal an diesem Abend grinste auch Stunden.
    »Arschloch.«
    »Blödmann.«
    Wie sich herausstellte, weigerte sich der Barkeeper, uns die Flasche zu überlassen, aber er war bereit, so lange nachzuschenken, wie Stunden und Geagan bestellen konnten, ohne zu lallen. Zu meinem Leidwesen vertrugen sie nicht nur eine Unmenge Alkohol, sondern verstanden sich auch bestens. Die Bar leerte sich etwa ebenso schnell wie die Flasche hinter dem Tresen, bis wir bald darauf die einzigen Gäste waren. Wir plauderten eine Zeitlang zwanglos miteinander, und Geagan erzählte mir, wie er im Franklin County gelandet war, nachdem er das Großstadtleben unten in Boston sattgehabt hatte.
    »Der erste Winter war hart«, sagte er. »Ich dachte, Boston ist ätzend, wenn es schneit, aber hier oben, tja, da kommt man sich vor wie unter einer Lawine.« Er verzog das Gesicht. »Außerdem vermisse ich die Frauen. Wissen Sie, weibliche Gesellschaft. Diese Kleinstädte, Mann. Diejenigen, die nicht verheiratet sind, sind abgehauen. Es ist wie in der Fremdenlegion.«
    »Es wird besser, wenn die Touristen kommen«, sagte Stunden. »Nicht viel, aber ein bisschen.«
    »Verdammt, bis dahin bin ich womöglich schon vor Frust gestorben.«
    Beide starrten in ihre Gläser, als hofften sie, eine Seejungfrau könnte den Kopf aus dem Schnaps stecken und ihnen einladend mit dem Schwanz zuwedeln.
    »Es geht um Harold Proctor«, sagte ich, um das Gespräch in die Gänge zu bringen.
    »Ich war überrascht, als

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