Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
ein bisschen gekannt«, sagte ich. »Wir sind auf die gleiche Highschool gegangen.«
»Ach. Mom wohnt jetzt in Wesley.«
»Das ist schön«, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
»Eigentlich nicht. Ihr neuer Mann ist ein Arschloch.« Sie kramte in der Tasche ihres Morgenmantels herum und holte ein Feuerzeug und eine Zigarettenschachtel heraus. Sie zündete sich eine an, steckte dann die Schachtel und das Feuerzeug wieder in die Tasche. Sie bot mir keine an. Ich rauche nicht, aber aus Höflichkeit sollte man immer fragen.
»Joel sagt, dass Bennett Patchett Sie engagiert hat.« Ich konnte es schwerlich leugnen, aber immerhin bestätigte mir das, dass die Männer im Blue Moon seit letzter Nacht mit Tobias gesprochen hatten und er wiederum mit seiner Freundin.
»Das stimmt.«
Sie verdrehte die Augen.
»Er meint es gut«, sagte ich. »Er macht sich Sorgen um Sie.«
»Joel sagt, seiner Ansicht nach sollte ich nicht mehr dort arbeiten. Er sagt, ich muss kündigen und mir einen anderen Job suchen. Wir haben uns deswegen gestritten.«
Sie funkelte mich an, als wollte sie mir zu verstehen geben, dass es meine Schuld sei.
»Und was sagen Sie dazu?«
»Ich liebe ihn, und ich liebe dieses Haus. Wenn es hart auf hart kommt, wird’s auch noch andere Jobs geben, nehme ich an, aber ich würde lieber weiter bei Mr Patchett arbeiten.« Sie bekam feuchte Augen. Dann rann eine Träne aus ihrem rechten Auge, die sie rasch wegwischte.
Der ganze Fall war ein einziger Schlamassel. Manchmal ist das einfach so. Ich wusste nicht einmal genau, weshalb ich hier war, abgesehen davon, dass ich sicherstellen wollte, dass Joel Tobias Karen Emory nicht das Gleiche antat, was einstmals Cliffie Andreas Sally Cleaver angetan hatte.
»Hat Joel Sie geschlagen oder auf irgendeine Art und Weise misshandelt, Miss Emory?«
Sie schwieg eine ganze Weile.
»Nein, nicht so, wie Sie oder Mr Patchett meinen. Wir hatten vor eine Weile einen Riesenstreit, und die Sache ist ein bisschen außer Kontrolle geraten, das ist alles.«
Ich betrachtete sie eingehend. Meiner Meinung nach war es nicht das erste Mal, dass sie von einem Freund geschlagen worden war. Die Art, wie sie darüber sprach, deutete darauf hin, dass sie eine gelegentliche Ohrfeige als Berufsrisiko betrachtete, als unangenehme Begleiterscheinung, wenn man mit einem bestimmten Männertyp ging. Wenn es zu oft vorkam, glaubte eine Frau womöglich sogar, es wäre ihre Schuld, dass irgendetwas an ihr, irgendein psychischer Defekt, die Männer dazu veranlasste, auf eine bestimmte Art und Weise zu reagieren. Wenn Karen Emory noch nicht in dieser Richtung dachte, dann war sie doch kurz davor.
»War es das erste Mal, dass er Sie geschlagen hat?«
Sie nickte. »Es war – wie sagt man – ›völlig untypisch‹ für ihn. Joel ist ein anständiger Mann.« Sie stolperte ein bisschen über die letzten drei Worte, als müsste sie sich ebenso davon überzeugen wie mich. »Er hat im Moment bloß jede Menge Stress.«
»Wirklich? Warum das denn?«
Karen zuckte die Achseln und schaute weg. »Es ist schwer, für sich selbst zu arbeiten.«
»Redet er mit Ihnen über seine Arbeit?«
Sie ging nicht darauf ein.
»Haben Sie sich darüber gestritten?«
Wieder keine Antwort.
»Haben Sie Angst vor ihm?«
Sie leckte sich die Lippen.
»Nein.« Diesmal war es eine Lüge.
»Und seine Freunde, seine Kameraden vom Militär? Was ist mit denen?«
Sie drückte die halb aufgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus.
»Sie müssen jetzt gehen«, sagte sie. »Sie können Mr Patchett ausrichten, dass es mir gut geht. Er kriegt diese Woche meine Kündigung.«
»Karen, Sie sind nicht allein. Wenn Sie Hilfe brauchen, kann ich Sie in Kontakt mit den richtigen Leuten bringen. Sie sind diskret und beraten Sie dabei, was Sie zu Ihrem Schutz tun können. Sie müssen nicht mal Joels Namen erwähnen, wenn Sie nicht wollen.«
Aber schon beim Sprechen sah ich, dass meine Worte nichts ausrichteten. Karen Emory hatte sich an Joel Tobias gebunden. Wenn sie ihn verließ, musste sie wieder in Bennett Patchetts Unterkünfte ziehen, bis irgendein anderer Mann des Wegs kam, der womöglich schlimmer war als Tobias und mit dem sie gehen würde, nur um wegzukommen. Ich wartete einen Moment lang, aber mir war klar, dass nicht mehr aus ihr herauskommen würde. Sie deutete zur Tür und folgte mir den Flur entlang. Als sie die Haustür öffnete und ich an ihr vorbeischlüpfte und auf der vorderen Veranda stehen blieb, ergriff sie
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