Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
Vom Netzwerk:
könnte. Schließlich zog er sie auseinander, trat dabei einen Schritt zurück und hob leicht die rechte Hand, als wolle er sich schützen.
    Er sah nur sein Spiegelbild.
    Aber irgendetwas anderes war hier gewesen, und zwar nicht der Mann, der den tödlichen Schuss auf Webber abgegeben hatte, denn über den wusste der Kollektor Bescheid: Herod, der stets suchte und nie etwas fand, der sich hinter Decknamen und Scheinfirmen versteckte, der so schlau und geschickt im Verstecken war, dass der Kollektor ihn nicht hatte aufspüren können. Irgendwann würde seine Zeit kommen. Schließlich verrichtete der Kollektor Gottes Werk. Er war der Mörder Gottes, und wer konnte sich vor dem Göttlichen verbergen?
    Nein, das hier war nicht Herod. Das war ein anderer, und der Kollektor konnte ihn riechen und schmecken, konnte beinahe die kaum wahrnehmbare Spur sehen, die er wie Atemhauch auf dem Glas hinterlassen hatte. Er war hier gewesen und hatte zugesehen, als Webber starb. Moment! Der Kollektor bekam große Augen, als er Zusammenhänge herstellte und Mutmaßungen zur Gewissheit wurden.
    Er hatte nicht zugesehen, als Webber starb, sondern Herod beobachtet, als Webber starb.
    Jetzt wurde dem Kollektor klar, weshalb es ihn an diesen Ort gezogen hatte und warum Herod seine eigene Privatsammlung mit obskuren Sachen zusammentrug, auch wenn er glaubte, dass Herod letztendlich den Zweck seiner Mühen nicht ganz verstand.
    Er war hier gewesen. Er war endlich gekommen: der lachende Mann, der alte Verführer.
    Derjenige, der hinter dem Glas wartet.

9
    Ich fühlte mich wie zerschlagen, als ich aufwachte, und mein Schlund, die Nase und die Lunge taten weh. Meine rechte Hand wollte nicht aufhören zu zittern, so dass ich mir heißes Wasser übers Hemd goss, als ich mir eine Tasse Kaffee aufbrühen wollte. Letzten Endes spielte es keine Rolle: Der Kaffee schmeckte sowieso nach schmutzigem Wasser. Ich saß auf einem Stuhl und schaute hinaus auf die Marschen. Meine Wut von letzter Nacht war verflogen, und an ihre Stelle war eine Mattigkeit getreten, die nicht stark genug war, um meine Angst zu vertreiben. Ich wollte nicht an Bennett Patchett und seinen toten Sohn denken oder an Joel Tobias und einen Aufleger voller brausender Dunkelheit. Ich hatte schon früher einen verzögerten Schock erlebt, aber noch nie so etwas wie diesmal. Zu dem Schmerz und der Angst kam die Scham, weil ich Bennett Patchetts Namen genannt hatte. Wir alle wollen glauben, wir könnten der Folter standhalten, wenn es darum geht, andere zu schützen und uns etwas von uns selbst zu bewahren, aber das stimmt nicht. Irgendwann zerbricht jeder, und ich hätte ihnen alles erzählt, was sie wissen wollten, nur um nicht in abgestandenem Wasser ertränkt zu werden. Ich hätte Verbrechen gestanden, die ich nicht begangen hatte, und versprochen, Verbrechen zu begehen, die mir zutiefst zuwider waren. Ich hätte sogar mein eigenes Kind verraten, und das Wissen darum führte dazu, dass ich mich innerlich wand. Sie hatten mich in der Ruine des Blue Moon meiner Männlichkeit beraubt.
    Nach einer Weile rief ich Bennett Patchett an. Bevor ich etwas sagen konnte, teilte er mir mit, dass Karen Emory an diesem Tag nicht zur Arbeit erschienen sei und er sie nicht erreicht habe, als er bei ihr zu Hause anrief. Er mache sich Sorgen um sie, sagte er, aber ich fiel ihm ins Wort. Ich erzählte ihm, was sich in der letzten Nacht ereignet hatte, und gestand ihm, was ich getan hatte. Er wirkte nicht beunruhigt, nicht einmal überrascht.
    »Waren es Soldaten?«, fragte er.
    »Ehemalige Soldaten, glaube ich, und sie wussten über Damien Bescheid. Aus diesem Grund möchte ich glauben, dass sie Ihnen keinen Ärger machen, jedenfalls nicht, wenn Sie einfach wieder stillschweigend um Ihren Sohn trauern.«
    »Würden Sie das tun, Mr Parker? Wollen Sie, dass ich das tue? Haben Sie vor, sich von dieser Sache zurückzuziehen?«
    »Ich weiß es nicht, Sir. Im Moment brauche ich einfach ein bisschen Zeit.«
    »Wofür?« Aber er klang schicksalsergeben, als ob keine Antwort, die ich ihm geben könnte, gut genug wäre.
    »Um meine Wut wiederzufinden«, sagte ich, und vielleicht gab ich ihm damit die Antwort, die ihm genügte.
    »Ich bin hier, wenn Sie so weit sind«, sagte er und legte auf.
    Ich weiß nicht, wie lange ich auf dem Stuhl saß, aber irgendwann zwang ich mich aufzustehen. Ich musste etwas unternehmen, sonst würde ich ebenso sicher untergehen, wie wenn mich die Männer im Blue Moon losgelassen und mich

Weitere Kostenlose Bücher