Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
aber nichts. Als er mit der Überprüfung der Küche fertig war, nahm er sich die anderen Zimmer des Hauses vor, sah sich aber nur um, ohne etwas anzufassen. Schließlich kehrte er in die Küche zurück, zündete sich an der ersten Zigarette eine zweite an und warf die Kippe in die Spüle. Dann zog er sich zu der Tür zurück, die die Küche mit dem Flur verband, lehnte sich an den Rahmen und versuchte die Ursache seines Unbehagens zu ergründen.
Webbers Tod war nicht ganz überraschend gekommen. Der Mann in der Küche hatte die Umtriebe von Webber und seinesgleichen genau im Auge behalten. Ihre gelegentliche Skrupellosigkeit verwunderte ihn nicht. Alle Sammler waren gleich – ihre Gelüste waren manchmal stärker als ihr guter Wille. Aber Webber war eigentlich gar kein Sammler. Klar, er hatte im Laufe der Jahre einige Stücke für sich behalten, aber er verdiente sein Geld als Makler, als Vermittler, als Strohmann für andere. Von solchen Leuten wurde ein gewisses Maß an Vertrauenswürdigkeit erwartet. Sie mochten manchmal den einen Käufer gegen den anderen ausspielen, betrogen aber nur selten. Es wäre unklug, denn der schnelle Profit bei einem unredlich abgewickelten Geschäft könnte den Ruf schädigen. In Webbers Fall war dieser Schaden, wie das Blut und die Hirnmasse verrieten, tödlich gewesen. Der Eindringling nahm einen tiefen Zug an seiner Zigarette, wobei seine Nasenflügel bebten. Der Geruch, an dem sich Webbers Tochter so gestört hatte und den sie darauf zurückführte, dass nach dem Tod der Schließmuskel ihres Vaters versagt hatte, war abgeklungen, doch der Eindringling hatte scharfe Sinne, die durch seine Vorliebe für Zigaretten nicht beeinträchtigt waren. Der Geruch machte ihm zu schaffen. Er gehörte nicht hierher. Er war fremdartig.
Hinter ihm lag der dunkle Flur, doch er war nicht verlassen. Gestalten bewegten sich in der Düsternis, graue Wesen, deren Haut wie verdörrtes Obst aussah, Schemen ohne Materie.
Hohle Männer.
Und obwohl er spürte, wie sie sich zusammenrotteten, drehte er sich nicht um. Es waren seine Kreaturen, trotz ihres Hasses auf ihn.
Der Mann, der in der Küche stand, nannte sich der Kollektor. Manchmal hörte er auch auf den Namen Kushiel, nach dem Dämon, der angeblich Beschließer der Hölle war, aber möglicherweise wollte er damit nur seinen schwarzen Humor bekunden. Er war kein solcher Sammler wie die Leute, für die Webber Gegenstände beschafft hatte. Nein, der Kollektor betrachtete sich eher als jemand, der Schuld beglich, für ausgleichende Gerechtigkeit sorgte. Manche könnten sogar versucht sein, ihn als Mörder zu bezeichnen, denn letzten Endes mordete er, doch das würde der Tätigkeit nicht gerecht, mit der der Kollektor befasst war. Diejenigen, die er tötete, hatten durch ihre Sünden ihr Recht auf Leben verwirkt. Genauer gesagt hatten sie ihre Seelen verwirkt, und ohne Seele war der Körper lediglich ein leeres Gefäß, das man zerbrechen und wegwerfen konnte. Von jedem Menschen, den er tötete, nahm er ein Andenken mit, häufig einen Gegenstand, der für das Opfer einen besonderen Liebhaberwert hatte. Es war seine Art, sich zu erinnern, doch seine Sammlung bereitete ihm auch eine große Freude.
Und schau, wie umfangreich sie im Laufe der Jahre geworden war.
Manchmal verweilten diese seelenlosen Wesen, und der Kollektor gab ihnen ein Ziel, auch wenn es nur darin bestand, ihre eigene Schar zu mehren. Als sie jetzt hinter ihm hin und her wuselten, spürte er ihren Stimmungsumschwung, so als könnten diese verlorenen, hoffnungslosen menschlichen Hülsen so etwas wie Gefühl aufbringen, das sich nicht auf Hass gründete. Sie waren furchtsam, aber die Furcht war durchsetzt mit einer Spur …
War es Erwartung?
Sie waren wie eine Horde kleiner Spielplatzrüpel, die sich von einem Stärkeren hatten einschüchtern lassen, aber jetzt darauf warteten, dass der große Boss kam, die Sportskanone, derjenige, der dem Eindringling den Platz zuwies, an den er gehörte.
Der Kollektor war selten unsicher. Er wusste zu viel über die abgründige Welt, und er jagte in ihren Schatten. Er war derjenige, den man fürchtete, der Räuber, der gnadenlose Richter.
Aber hier, in dieser kostspielig eingerichteten Küche eines Hauses in einem reichen Vorort, war der Kollektor nervös. Er schnupperte erneut und nahm den Geruch wahr, der in der Luft hing. Er ging zum Fenster, griff nach den Vorhängen und hielt dann inne, als hätte er Angst vor dem, was dahinter sein
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