Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
damit den Boden ihrer Fahrzeuge aus, um Splitter abzufangen. Nur ein paar Tage später teilte man ihnen mit, dass sie in den Einsatz zogen. Die Offiziere jubelten – sie wollten sich ihre Kampfabzeichen verdienen. Bei eisiger Kälte rückten sie durch die Wüstennacht nach Norden vor. Er war noch nie in der Wüste gewesen, es sei denn, man zählte die Desert of Maine hinzu, und die war nur ein Feld voller Sand. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es in der Wüste so kalt sein würde, aber andererseits wusste er über Wüsten in etwa so viel wie über den Irak. Bevor er dort hingeschickt wurde, konnte er ihn nicht mal auf der Landkarte finden. Er hatte nie die Absicht, ihn zu besuchen, warum also sollte er sich die Mühe machen und ihn suchen? Aber jetzt wusste er Bescheid …
Was machten diese Leute? Wie lebten sie? So weit er sehen konnte, wuchs dort nichts. Die Kinder waren barfuß und wohnten in Häusern aus Lehmziegeln. Man hatte ihnen erklärt, dass sie niemandem trauen sollten, aber er verteilte Bonbons und Wasser an die Kinder, wann immer er konnte. Anfangs machten das die meisten Jungs, bis der Aufstand losbrach, die Flüsse sich mit Leichen füllten und die Hadschis Kinder als Späher, menschliche Schilde oder Soldaten benutzten. Danach behandelten sie Kinder nicht mehr wie Kinder. Mittlerweile hatte er ständig Schiss, aber er befand sich an einem Ort, an dem Angst keine Bedeutung mehr hatte, da sie allgegenwärtig war, entweder als Flüstern oder als Schrei.
Dann war da der Staub, der überall eindrang. Er versuchte sein M4 sauber zu halten und gut einzufetten, aber das nützte nicht immer was, und so klemmte die Knarre manchmal. Manche Jungs sagten, das übliche Reinigungsmittel der Army tauge einen Scheißdreck, und baten darum, dass man ihnen in ihren Päckchen von daheim handelsübliche Schmiermittel schicken sollte. Später las er, dass der irakische Staub anders war als der, der bei den Waffenerprobungen in den Staaten verwendet wurde. Die Körner waren kleiner und enthielten mehr Salze und Karbonate, die zur Rostbildung neigten. Außerdem reagierte er mit einigen Waffenschmiermitteln, so dass sich größere Klumpen bildeten, die die Kammern verklebten. Es war, als hätte sich das Land daselbst gegen die Invasoren verschworen.
Dieses Land war alt. Das begriffen sie nicht. Er auch nicht, damals jedenfalls. Erst als er sich mit seiner Geschichte befasste, wurde ihm klar, dass sich hier die Wiege der Zivilisation befunden hatte, dass die Vorfahren dieser Menschen, die ihn aus ihren Lehmhäusern ängstlich anblickten, die Schrift, die Philosophie und die Religion erschaffen hatten. Diese Armee mit ihren Panzern, Raketen und Flugzeugen folgte den Fußstapfen der Assyrer, Babylonier und Mongolen, von Alexander dem Großen, Julius Caesar und Napoleon. Dies war einst das größte Reich der Welt gewesen. Er konnte nur mühsam begreifen, wie alt es war, selbst als er über Gilgamesch, das alte Zweistromland, die Könige von Akkad und die Sumerer las.
Damals stieß er auch auf Enlil, seine Frau Ninlil und die Geschichte, wie Enlil dreierlei Gestalt annahm und seine Frau dreimal befruchtete, und wie aus diesen drei Vereinigungen Nergal, Ninazu und der andere entsprangen, dessen Name vergessen war, unlesbar geworden durch die Schäden an den alten Steinen, auf die die Geschichte geschrieben worden war. Drei Vereinigungen, drei Wesen: Dinge aus der Unterwelt.
Dämonen.
Und da verstand er allmählich.
11
Jackie Garner entschuldigte sich ein ums andere Mal, als er am nächsten Morgen anrief. Er war bis Blainville, Quebec, an Tobias drangeblieben und hatte zugesehen, wie er Tierfutter lud. Ihm war nichts Ungewöhnliches aufgefallen, und dann war er Tobias bis zur Grenze gefolgt, wo irgendetwas an Jackie Verdacht erregt hatte. Man hatte seine Tasche mit Hilfe von Chemikalien untersucht und Spuren von Sprengstoff gefunden. Wenn man bedachte, dass es sich um Jackie Garner, den Munitionskönig, handelte, wäre es ein Wunder gewesen, hätte man keine Sprengstoffspuren gefunden, aber das bedeutete auch, dass Jackies Auto durchsucht worden war und er eine Menge unangenehme Fragen über seine Hobbys beantworten musste, bevor man ihn laufen ließ. Und mittlerweile war Joel Tobias verschwunden.
»Mach dir deswegen keine Gedanken, Jackie«, sagte ich zu ihm. »Wir finden eine andere Möglichkeit.«
»Soll ich zu seinem Haus fahren und auf ihn warten?«
»Yeah, warum nicht?« Dadurch hatte Jackie wenigstens das
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