Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
»Aber etwas Schnelles, Fröhliches, wenn ich bitten darf. Und seid bitte nachsichtig mit mir – ich fürchte, ich kenne eure Tänze nicht.«
    »Dann werden wir sie Ihnen gern beibringen, Mylady«, versicherte Sean. Mit einem Wink bedeutete er den drei Musikern, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, und einen Augenblick später erfüllten der schlagende Rhythmus der Trommel und das lustige Trillern der Flöte den Raum. Der Schmiedegeselle nickte Mary ermutigend zu und reichte ihr die Hände, und im nächsten Moment zog er sie mit sich auf die kleine Tanzfläche.
    Im Nu hatten die übrigen Hochzeitsgäste einen Kreis um die beiden gebildet und klatschten und stampften im Rhythmus der Musik. Mary musste lachen. Ihr Gelächter klang silberhell und erleichtert, und sie hatte das Gefühl, als fiele eine zentnerschwere Last von ihr ab. Befreit von den Zwängen der Etikette lebte sie auf und hatte zum ersten Mal seit Abbotsford wieder das Gefühl, ein lebendes, atmendes Wesen zu sein.
    Der junge Sean war ein temperamentvoller Tänzer. Ohne dass Mary auch nur einen der Schritte beherrschte, wirbelte er sie über die Bohlen und vollführte dabei lustige Sprünge. Mary fand schnell heraus, dass es hier kein Zeremoniell gab, keine festen Figuren und Verbeugungen, an die man sich zu halten hatte. Sie ließ sich einfach von der Melodie tragen und bewegte sich im Takt der Musik. Der Reifrock ihres schweren Kleides schwang dabei hin und her wie eine Glocke, was vor allem die Kinder sehr lustig fanden und mit ausgelassenem Gelächter quittierten.
    »Genug getanzt, du Grünschnabel«, ereiferte sich ein alter Schotte, in dem Mary den betagten Stallwart der Burg erkannte. »Deine Braut wartet schon sehnsüchtig auf dich. Jetzt lass mich mit der Dame tanzen.«
    »Wie du willst, Onkel«, meinte Sean grinsend und trat zurück.
    Der alte Diener verbeugte sich vor Mary. »Werden Mylady es erlauben?«, fragte er galant.
    Mary musste sich ein Lachen verkneifen. »Wie könnte ich einer so charmanten Aufforderung widerstehen, mein Herr?«, erwiderte sie schmunzelnd – und im nächsten Moment wurde sie am Arm eingehakt und herumgewirbelt.
    Mit einem Temperament und einer Behändigkeit, die einem Mann seines Alters kaum zuzutrauen war, setzte der alte Stallwart über die Tanzfläche, sprang dabei hoch in die Luft und schlug die Hacken zusammen, als hätte die Schwerkraft keine Gültigkeit für ihn. Mary drehte sich zum Klang der Musik im Kreis. Ihr Pulsschlag erhöhte sich, und ihre Wangen wurden purpurrot.
    Das Stück, das die Musikanten spielten, ging zu Ende. Aber noch ehe sich Mary setzen konnte, begann schon die nächste Weise, die noch flotter und heiterer war als jene zuvor. Einige der Kinder kamen, nahmen Mary bei den Händen und tanzten mit ihr einen Reigen, und für eine kurze Weile vergaß die junge Frau alle Nöte und Ängste um sich herum.
    Sie dachte nicht an Malcolm of Ruthven und das traurige Los, das sie erwartete.
    Und sie bemerkte nicht das Unheil, das sich über ihr zusammenbraute.

8.
    S chweren Herzens hatte sich Sir Walter dazu entschlossen, Dellards Ratschlag Folge zu leisten und sich nach Edinburgh zu begeben. Obwohl er wusste, dass es für die seinen am besten war, kostete es ihn große Überwindung, von seinem geliebten Landsitz Abschied zu nehmen.
    Nur der alte Mortimer und die Gärtner und Handwerker blieben zurück, um das Haus zu bewachen; dem übrigen Gesinde hatte Lady Charlotte freigegeben. Lediglich die Hausdiener und die Kammerzofe begleiteten die Familie nach Edinburgh.
    Die Abreise von Abbotsford fiel auf einen Freitagmorgen, der, wie Sir Walter fand, kein passenderes Wetter hätte bieten können. Der Himmel war grau und wolkenverhangen, und es regnete in Strömen. Die Straße war so aufgeweicht, dass die Kutschen nur langsam vorankamen.
    Während der gesamten Fahrt nach Edinburgh sprach Sir Walter kaum ein Wort. Es war ihm anzusehen, dass er den Rückzug aus Abbotsford als persönliche Niederlage betrachtete, und wäre es dabei nur um ihn selbst gegangen, wäre er niemals gewichen.
    Auch Quentin, der mit den Scotts in einer Kutsche saß, war während der Fahrt nicht wohl zu Mute. Zwar hatte er nichts dagegen, Abbotsford zu verlassen und damit außer Reichweite der vermummten Aufrührer zu sein; allerdings behagte es ihm gar nicht, nach Edinburgh zu seiner Familie zurückzukehren. In der kurzen Zeit, die er in den Diensten seines Onkels verbracht hatte, hatte er gerade angefangen, die Möglichkeiten zu

Weitere Kostenlose Bücher