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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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was sie tief in ihrem Herzen empfand.
    Die Trauer.
    Die Wehmut.
    Und einen Hauch von Hoffnung.
    Bei Einbruch der Dunkelheit erreichte die Kutsche Jedburgh, ein kleines Dorf fünfzehn Meilen südwestlich von Galashiels. Da es in der ganzen Ortschaft nur ein Wirtshaus gab, das Quartiere für die Nacht anbot, fiel die Auswahl nicht schwer.
    Die Hufe der Pferde klapperten auf den grob gehauenen Pflastersteinen, als Winston die Kutsche vor dem alten, aus Naturstein gemauerten Gebäude zum Stehen brachte. Ein wenig missbilligend blickte Kitty aus dem Seitenfenster und rümpfte die Nase, als sie das graue Gemäuer erblickte, das ein rostiges Schild als THE JEDBURGH INN auswies.
    »Nicht gerade ein Palast, Mylady«, äußerte sie ungefragt ihre Meinung. »Man merkt, dass wir nicht mehr in England sind.«
    »Das ist mir gleichgültig«, entgegnete Mary bescheiden. »Es ist ein Dach über dem Kopf, oder nicht? Ich werde den Rest meines Lebens auf einem Schloss verbringen. Was macht da eine Nacht in einer Herberge schon aus?«
    »Sie wollen wirklich nicht nach Ruthven, nicht wahr?«, fragte Kitty mit einer Direktheit, die ihr nicht zustand, die ihr aber nun einmal zu Eigen war.
    »Nein.« Mary schüttelte den Kopf. »Gäbe es eine Möglichkeit, diese Hochzeit zu verhindern, würde ich es tun. Aber ich bin, was ich bin, und muss mich dem Willen meiner Familie unterordnen. Auch wenn …«
    »… Sie Laird Malcolm nicht lieben?«, half Kitty aus.
    Mary nickte. »Ich hatte immer gehofft, dass mein Leben anders sein würde«, sagte sie leise. »Ein wenig wie in jenem Gedicht, das ich dir heute vorgelesen habe. Dass es Liebe darin geben würde und Leidenschaft. Dass mein Leben anders verlaufen würde als das meiner Eltern. Vermutlich war das naiv von mir.«
    »Wer weiß, Mylady?« Kitty lächelte ihr zu. »Haben Sie nicht gehört, was man sich von diesem Land erzählt? Dass hier noch der Zauber aus alter Zeit am Wirken sein soll?«
    »Ist das wahr?«
    »Bestimmt, Mylady. Lowell, der Pferdeknecht, hat mir davon erzählt – sein Großvater war Schotte.«
    »Ei«, meinte Mary nur. »Du hast Bekanntschaft mit dem Pferdeknecht geschlossen?«
    »Nein, ich …« Die Zofe errötete. »Ich wollte nur sagen, dass vielleicht doch noch alles gut werden wird, Mylady. Vielleicht ist Malcolm of Ruthven der Mann Ihrer Träume.«
    »Kaum.« Mary schüttelte den Kopf. »Ich lese gern Geschichten, Kitty, aber ich bin nicht so kindisch anzunehmen, dass auch nur etwas von dem, was dort geschrieben steht, in Erfüllung gehen könnte. Ich weiß, was das Leben von mir verlangt. Und von dir, Kitty«, fügte sie hinzu, als Winston herantrat, um die Tür der Kutsche zu öffnen, »verlangt es, eine Nacht in dieser Herberge zu verbringen, ob es dir nun gefällt oder nicht.«
    »Es gefällt mir nicht, Mylady«, erwiderte Kitty augenzwinkernd, »aber da ich nur Ihre Zofe bin, werde ich mich fügen und …«
    Der Rest von dem, was sie sagen wollte, ging in lautem Geschrei unter, das von der Straße hereindrang, begleitet von hektischen Schritten auf dem harten Pflasterstein.
    »Was ist da los?«, fragte Mary. Rasch ergriff sie die Hand, die Winston ihr reichte, und stieg aus der Kutsche – gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie mehrere Männer, die die rote, langrockige Uniform des Hochland-Militärs trugen, dabei waren, einen Mann aus dem Gasthaus zu zerren.
    »Los, komm schon! Willst du wohl mit uns kommen, du verdammter Hund?«
    »Nein, ich will nicht!«, brüllte der Gescholtene, der von breiter Statur war und die einfache, fast ärmliche Kleidung eines Bauern trug. Sein Akzent wies ihn unverkennbar als Schotten aus, und die schwere Zunge, mit der er sprach, zeigte an, dass er zu viel getrunken hatte. Sein Gesicht und seine Nase waren beinahe so rot wie die Uniformen seiner Häscher, die ihn packten und mit grober Gewalt auf die Straße beförderten.
    »Wir werden dich lehren, den Namen des Königs nicht noch einmal in den Schmutz zu ziehen, du verdammter Rebell!« Der Anführer des Trupps, seinen Schulterstreifen nach ein Corporal, holte aus und rammte dem Bauern den Kolben seines Gewehrs in die Seite. Der Betrunkene gab ein Stöhnen von sich, brach zusammen und schlug der Länge nach auf den kalten Stein.
    Der Unteroffizier und seine Soldaten lachten derb und waren im nächsten Moment dabei, den wehrlos am Boden Liegenden mit Gewehrkolben und Stiefeltritten zu traktieren. Einige Männer, die hinter den Soldaten aus dem Gasthaus gekommen waren, standen

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