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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Jemand hatte alle anderen gelöscht und dafür gesorgt, dass das Archiv in tiefe Dunkelheit gesunken war.
    Zu welchem Zweck?
    Sich mit beiden Händen an seine Kerze klammernd, als wäre sie ein guter Geist, der ihn durch das Dunkel führte, folgte Quentin der Gasse bis zu ihrem Ende. Er trat leise auf und zuckte bei jedem Knarren, das die alten Bohlen von sich gaben, in sich zusammen. Endlich erreichte er den Hauptgang, warf einen Blick hinaus. Es war zum Verzweifeln. Das spärliche Licht der Flamme wurde schon nach wenigen Ellen von staubiger Schwärze verschluckt. Was sich jenseits davon befand, konnte Quentin nur vermuten, und es ließ ihn in seinem tiefsten Innern erschaudern.
    Trotz des Mantels, den er trug, war ihm plötzlich kalt. Die Panik, die in ihm aufstieg, vermochte er nur mit Mühe niederzuhalten. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Er musste die Treppe erreichen, hatte nur den einen Wunsch, die Bibliothek so schnell wie möglich zu verlassen. Zuerst das geheimnisvolle Zeichen auf dem Boden, dann der fehlende Band, schließlich die Schritte in der Dunkelheit …
    Unheimliche Dinge gingen in dieser Bibliothek vor sich, mit denen Quentin nichts zu tun haben wollte, egal, was die anderen sagten. Sollten sie von ihm enttäuscht sein, wenn sie wollten, aber er hatte keine Lust, das gleiche traurige Schicksal zu erleiden wie Jonathan.
    Unsicher lenkte er seine Schritte in Richtung der Treppe, passierte Reihen von Regalen. Es war wie in den unruhigen Nächten seiner Kindheit, als namenlose Schrecken in dunklen Winkeln gelauert hatten. Auch jetzt zuckte Quentin zusammen, wenn er hier einen Schatten, dort eine undeutliche Gestalt zu erkennen glaubte. Es kostete ihn einige Überwindung, dennoch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Und plötzlich gewahrte er die Gestalt, die vor ihm im Dunkeln stand. Einen Augenblick lang hielt er auch sie für einen Schemen, den seine Furcht ihm vorgaukelte, für eine Ausgeburt seiner Fantasie. Als sich der Schatten jedoch bewegte, wurde Quentin klar, dass er sich geirrt hatte.
    Mit einem Aufschrei schlug er die Hände vors Gesicht. Die Kerze entwand sich abermals seinem Griff und fiel zu Boden. Im Davonrollen warf sie flackerndes Schlaglicht auf die fremde Gestalt, und Quentins Verdacht wurde schreckliche Gewissheit.
    Dieses Phantom war echt!
    Quentin sah einen dunklen Mantel und ein konturloses Gesicht. Dann spürte er die sengende Hitze hinter sich, gefolgt von blendender Helligkeit.
    Einem jähen Instinkt gehorchend, fuhr Quentin herum – und starrte in ein loderndes Flammenmeer.
    Die Regale hatten Feuer gefangen. Gelb leuchtende Feuersbrunst loderte an ihnen empor und griff bereits auf die Bücher über, fraß sie auf wie ein gieriger Moloch.
    »Nein!«, entfuhr es Quentin entsetzt, als er sah, wie das Wissen vergangener Jahrhunderte dem Wüten der Flammen zum Opfer fiel. Und einen Herzschlag später traf ihn die Erkenntnis, dass es seine Schuld war. Er hatte die Kerze fallen lassen …
    Der junge Mann wandte sich abermals um, schaute nach dem Vermummten, der ihn so in Panik versetzt hatte – nur um festzustellen, dass das Phantom verschwunden war. Hatte es überhaupt je wirklich existiert? Oder war es doch nur eine Ausgeburt seiner Ängste gewesen? Hatte er einmal mehr mit offenen Augen geträumt?
    Ihm blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Schon hatte das Feuer auf die nächsten Regale übergegriffen. Mit dumpfem Grollen fraßen sich die Flammen durch die wertvollen Bücher und Folianten. Der Anblick erfüllte Quentin mit maßlosem Entsetzen. Einen Augenblick lang stand er wie erstarrt. Dann wurde ihm bewusst, dass er etwas unternehmen musste.
    »Feuer! Feuer!«, brüllte er so laut er konnte und sprang auf die brennenden Regale zu, in dem mutigen, aber törichten Bemühen, wenigstens noch einige Bücher zu retten. Beißender Rauch quoll zwischen den Folianten hervor, brannte in seinen Augen und raubte ihm den Atem.
    Er bekam einige der Bücher, die noch nicht Feuer gefangen hatten, zu fassen und zog sie aus dem Regal, wollte sie vor den Flammen in Sicherheit bringen – doch der Rauch hatte ihn von allen Seiten umzingelt und hüllte ihn ein wie eine dichte, undurchdringliche Wand.
    Quentin musste husten. Beißender Qualm fraß sich in seine Lungen, Übelkeit befiel ihn. Er wurde schwach und kraftlos und ließ die Bücher fallen. Seine Knie wurden weich, und er konnte sich nur noch mühsam auf den Beinen halten.
    Durch vom Rauch verquollene Augen

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