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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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schlechtes Gewissen bereitete ihm Übelkeit, schnürte ihm die Kehle zu. »Die Mönche hätten mich lieber in den Flammen sterben lassen sollen«, sagte er leise.
    »Mein lieber Junge!« Sir Walter klang plötzlich streng, die buschigen Brauen zogen sich zusammen. »Du bist sehr undankbar! Die Brüder fanden dich bewusstlos am Fuß der Treppe. Hätten sie dich nicht gerettet, würdest du jetzt nicht mehr unter uns weilen.«
    »Ich weiß, Onkel«, sagte Quentin zerknirscht. »Und vielleicht wäre es besser so.«
    »Weshalb sagst du so etwas? Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht. Doktor Kerr und Lady Charlotte sind die ganze Nacht nicht von deiner Seite gewichen.«
    »Das verdiene ich nicht, Onkel«, erwiderte Quentin niedergeschlagen. »Denn an dem Feuer in der Bibliothek …«
    »Ja?«
    »… trage ich Schuld«, brachte Quentin sein Geständnis zu Ende. »Ich habe meine Kerze fallen lassen, daraufhin fing eines der Regale Feuer. Ich habe noch versucht, einige der Bücher zu retten, aber es war zu spät. Es ist meine Schuld, Onkel. Diejenigen, die behaupten, dass ich zu nichts tauge, haben vollkommen Recht. In all den Monaten, die ich schon bei dir bin, war ich dir nur eine Last. Ich habe dich enttäuscht.«
    Er wagte es nicht, seinem Onkel ins Gesicht zu sehen, und schloss die Augen in der Erwartung, dass Sir Walter ihn mit wüsten Flüchen und Verwünschungen bedenken würde. Doch die Schelte blieb aus. Stattdessen gab sich Sir Walter einem langen, ausgiebigen Seufzen hin.
    »Quentin?«
    »Ja, Onkel?« Quentin blinzelte.
    »Mache ich den Eindruck, als wäre ich wütend auf dich?«
    »N-nein, Onkel.«
    »Du bist ein törichter Junge, weißt du das?«
    »Ja, Onkel.«
    »Aber nicht aus den Gründen, die du genannt hast. Sondern weil du noch immer nicht begriffen hast, wie viel du uns allen bedeutest. Ist dir klar, welche Sorgen wir uns um dich gemacht haben? Ich habe bereits Jonathan verloren, Quentin. Dich auch noch zu verlieren, das hätte ich nicht ertragen. Du bist mein Neffe, mein eigen Fleisch und Blut. Das darfst du niemals vergessen.«
    Quentin gönnte sich ein zaghaftes Lächeln. »Das ist lieb von dir, Onkel, und ich bedauere sehr, euch allen solche Sorgen bereitet zu haben. Aber der Brand in der Bibliothek ist meine Schuld. Nun werden wir nie erfahren, wer den armen Jonathan ermordet hat.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    »Nein? Weshalb nicht?«
    »Weil Abt Andrew und seine Mitbrüder hinter der Bibliothek leere Behälter gefunden haben. Behälter, in denen Petroleum aufbewahrt wurde.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das heißt, mein Junge, dass es Brandstiftung gewesen ist. Irgendwer hatte es darauf angelegt, die Bibliothek in Flammen aufgehen zu lassen.«
    »Dann … trifft mich gar keine Schuld?«
    »Natürlich nicht. Glaubst du im Ernst, eine kleine Kerze könnte im Handumdrehen eine solche Feuersbrunst auslösen?«
    Quentin atmete auf. Für einen kurzen Moment fühlte er sich so unbeschwert und leicht, als hätte Pater Cawley ihm die Beichte abgenommen. Dann jedoch kehrte ein weiteres Stück seiner Erinnerung zurück …
    »Es war also Brandstiftung?«
    »Danach sieht es aus. Offensichtlich wollte jemand die Spuren verwischen, die er in der Bibliothek hinterlassen hatte.«
    »Der Vermummte«, flüsterte Quentin und merkte, wie ein kalter Schauder über seinen Rücken rann. »Die dunkle Gestalt. Ich dachte schon, sie sei nur ein Trugbild gewesen, aber …«
    »Quentin?«
    »Ja, Onkel?«
    »Gibt es da etwas, das du mir erzählen möchtest?«
    »Nein«, sagte Quentin schnell, um dann ein halbherziges »Ja« hinterherzuschicken. Was hatte er schon zu verlieren? Sollte sein Onkel ihn ruhig für einen Träumer und Fantasten halten, er würde bei der Wahrheit bleiben. »Ich glaube, ich war nicht allein in der Bibliothek«, rückte er zögernd heraus.
    »Was heißt das?«
    »Das heißt, dass dort noch jemand war. Eine dunkle Gestalt.«
    »Eine dunkle Gestalt?« Sir Walters Blick enthielt eine Mischung aus Unglauben und Bestürzung.
    »Sie sah aus wie ein Phantom, wie ein Geist aus den Geschichten, mit denen man in Edinburgh die Kinder erschreckt. Sie stand plötzlich im Dunkeln und starrte mich an, aber ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen.«
    »Hat sie etwas gesagt?«
    Quentin schüttelte den Kopf. »Sie stand nur da und starrte mich an. Als das Feuer ausbrach, war sie plötzlich verschwunden.«
    »Bist du dir da auch ganz sicher?«
    »Nein.« Quentin schüttelte den Kopf. »Bin ich nicht,

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