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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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wissen, Sir Walter, dass ich Ihnen in Freundschaft zugeneigt und ein großer Bewunderer Ihrer Kunst bin. Aber in dieser Sache kann ich Ihnen nicht helfen. Nur das eine will ich Ihnen sagen: Lassen Sie die Vergangenheit ruhen, Sir. Blicken Sie nach vorn und erfreuen Sie sich derer, die am Leben sind, anstatt die Toten sühnen zu wollen. Das ist mein gut gemeinter Rat. Bitte nehmen Sie ihn an.«
    »Und wenn nicht?«
    Das milde, überlegene Lächeln kehrte auf Abt Andrews Züge zurück. »Ich kann Sie nicht dazu zwingen. Jedem Geschöpf Gottes steht das Recht zu, seine Entscheidungen frei zu treffen. Aber ich bitte Sie inständig, Sir Walter, die richtige Entscheidung zu treffen. Ziehen Sie sich von dem Fall zurück und überlassen Sie Inspector Dellard die Ermittlungen.«
    »Raten Sie mir das?«, fragte Sir Walter offen. »Oder teilen Sie mir nur mit, was Dellard Ihnen aufgetragen hat?«
    »Der Inspector scheint um Ihr Wohlergehen besorgt zu sein, und diese Eigenschaft teile ich«, erwiderte Abt Andrew ruhig. »Lassen Sie sich gewarnt sein, Sir Walter. Eine Rune ist ein heidnisches Zeichen aus einer Zeit, die in Dunkelheit verborgen liegt. Niemand weiß, welche Geheimnisse es birgt oder welche finsteren Absichten und Gedanken es hervorgebracht haben mögen. Das sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.«
    »Wovon sprechen Sie? Von Aberglauben? Sie? Ein Ordensmann?«
    »Ich spreche von Dingen, die älter sind als Sie oder ich, selbst älter als diese Mauern und dieses Kloster. Das Böse, Sir Walter, ist keine Einbildung. Es existiert so real wie alles andere und versucht ständig, uns in Versuchung zu führen. Manchmal auch« – er deutete auf das Buch, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch lag –, »indem es uns seltsame Zeichen sendet.«
    Die Stimme des Abts hatte sich immer mehr gesenkt, bis sie zuletzt nur noch ein Flüstern war. Als er zu Ende gesprochen hatte, war es, als verlöschte ein flackerndes Feuer. Quentin, der bei den Worten des Mönchs kreidebleich geworden war, fühlte eisiges Schaudern.
    Sir Walters Blick und der des Abts begegneten sich, und einen Moment lang starrten sich die beiden Männer an.
    »Gut«, sagte Scott schließlich. »Ich habe verstanden. Ich danke Ihnen für Ihre ehrlichen Worte, werter Abt.«
    »Sie waren ernst gemeint. Bitte halten Sie sich daran, mein Freund. Folgen Sie diesem Zeichen nicht weiter. Ich meine es gut mit Ihnen.«
    Sir Walter nickte nur. Dann erhob er sich zum Gehen.
    Abt Andrew übernahm es persönlich, seine beiden Besucher zurück zur Pforte zu geleiten. Der Abschied fiel kurz und weniger herzlich aus als die Begrüßung. Die Worte, die gefallen waren, wirkten noch immer nach.
    Draußen auf der Straße wagte Quentin eine ganze Weile lang nicht, seinen Onkel anzusprechen, und entgegen seiner sonstigen Gewohnheit schien Sir Walter auch nicht das Bedürfnis zu haben mitzuteilen, was er dachte. Erst als sie zurück zum Dorfplatz kamen, wo die Kutsche wartete, brach Quentin sein Schweigen.
    »Onkel?«, begann er zaghaft.
    »Ja, Neffe?«
    »Das war bereits die zweite Warnung, die wir bekommen haben, nicht wahr?«
    »So scheint es.«
    Quentin nickte langsam. »Weißt du«, rückte er dann heraus, »je mehr ich darüber nachdenke, desto offensichtlicher wird mir, dass ich mich geirrt haben muss. Vielleicht war es gar nicht dieses Zeichen, das ich gesehen habe. Vielleicht war es ein ganz anderes.«
    »Ist es die Erinnerung, die aus dir spricht, oder die Furcht?«
    Quentin überlegte kurz. »Eine Mischung aus beidem«, sagte er zögernd, worauf Sir Walter lachen musste.
    »Die Erinnerung, Neffe, kennt keine Furcht. Ich denke, du weißt ganz genau, was du gesehen hast, und Abt Andrew wusste es ebenfalls. Ich habe ihn beobachtet, als sein Blick auf die Schwertrune fiel. Er kennt dieses Zeichen, da bin ich mir sicher. Und er weiß um seine Bedeutung.«
    »Aber Onkel – willst du damit sagen, dass Abt Andrew uns belogen hat? Ein Mann des Glaubens?«
    »Mein Junge, ich vertraue Abt Andrew und bin mir sicher, dass er nie etwas unternehmen würde, das uns schaden könnte. Aber zweifellos weiß er mehr, als er uns gegenüber zugegeben hat …«

6.
    V on einer Hügelkuppe aus beobachtete der Reiter die Straße, die von Jedburgh im Süden nach Galashiels im Norden führte und unterhalb Newtowns eine Schlucht überbrückte, die der Tweed im Lauf von Jahrtausenden in die Landschaft gegraben hatte. Das sanfte Hügelland fiel hier ungewöhnlich schroff in die Tiefe.

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