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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ein Hammerschlag.
    Räuber!
    Ein Überfall!
    Schockiert prallte sie zurück und ließ sich auf ihren Sitz fallen. Kitty, die das Entsetzen in den bleichen Zügen ihrer Herrin sah, kam nicht mehr dazu, nach dem Grund zu fragen. Denn im nächsten Augenblick zerriss ein Schuss die Stille über dem Tal.
    »Was war das?«
    Sir Walter, der mit Quentin in der Droschke saß, die sie von Kelso zurück nach Abbotsford bringen sollte, schreckte auf. Eben noch war er in Gedanken versunken gewesen, hatte darüber nachgesonnen, welche Gründe Abt Andrew wohl haben mochte, ihnen zu verheimlichen, was er ganz offensichtlich über die Schwertrune und die geheimnisvollen Vorgänge in der Bibliothek wusste, als ihn das Geräusch jäh ins Hier und Jetzt zurückholte.
    »Was?«, erkundigte sich Quentin mit der ihm eigenen Arglosigkeit. »Wovon sprichst du?«
    »Das Geräusch eben. Dieser Knall.«
    »Ich habe nichts gehört, Onkel.«
    »Aber ich«, versicherte Sir Walter grimmig, »und ich kenne dieses Geräusch. Das war ein Schuss, mein Junge.«
    »Ein Schuss?«, fragte Quentin ungläubig, als sich das Geräusch wiederholte, das Sir Walter vernommen hatte.
    »Schüsse«, rief sein Onkel und stürzte ans Fenster, um einen Blick hinauszuwerfen.
    Soeben erreichten sie die Kreuzung, wo sich die Straße mit der aus Jedburgh vereinte und auf die Brücke zu führte. Atemlos sah Sir Walter, wie eine Horde von Reitern mit wehenden Umhängen hinter einer fremden Kutsche herjagte, deren Kutscher die Peitsche schwenkte und alles zu geben schien, um ihnen zu entkommen.
    »Ein Überfall!«, rief Sir Walter fassungslos aus. »Dreiste Räuber am helllichten Tag!«
    Quentin ächzte entsetzt. Statt jedoch wie sein Onkel ans Fenster zu eilen und sich zu vergewissern, was draußen vor sich ging, warf er sich spontan auf den Boden der Kutsche, den Kopf mit den Armen schützend. Nach den Ereignissen in der Bibliothek und der düsteren Warnung, die Abt Andrew ausgesprochen hatte, war ein Überfall von bewaffneten Räubern einfach zu viel für sein angegriffenes Nervenkostüm.
    Sir Walter überlegte noch, was zu tun war – die Gegend um Galashiels galt als sicher, weder er noch sein Kutscher führten eine Waffe mit sich –, als eine neue Bedrohung auftauchte.
    Unmittelbar vor der Brücke, aus dem Gebüsch, das die Straße säumte, stürzten mehrere Männer, abgerissene Gestalten wie jene zu Pferd, die gleichfalls Masken vor ihren Gesichtern trugen und der Kutsche den Weg versperrten. In der Hand des Anführers sah Sir Walter eine große Steinschlosspistole blitzen, deren doppelter Lauf Feuer gab …
    Winston Sellers ließ die Peitsche knallen und trieb die Pferde des Gespanns unnachgiebig zur Eile an. Ihre Hufe schienen über die karge, steinige Straße zu fliegen, Sehnen und Muskeln arbeiteten unter schweißglänzendem Fell, doch der Kutscher gönnte den Tieren keine Rast.
    Seit drei Generationen taten die Sellers' im Hause derer von Egton ihren Dienst, und keiner von ihnen hatte es je an Loyalität gegenüber der Familie mangeln lassen. Stets hatten sie treu zu den Egtons gestanden und waren nie von ihrer Seite gewichen – nicht einmal damals, als Lady Marys Großvater, Lord Warren of Egton, in die Kolonien nach Nordamerika gegangen war, wo er als Offizier gegen die aufständischen Separatisten gekämpft hatte.
    Weshalb Winston diese Dinge durch den Kopf gingen, während er auf dem Kutschbock der schwankenden Droschke saß und die Pferde unnachgiebig zur Eile antrieb, wusste er selbst nicht zu sagen. Vielleicht, weil er sich in diesem Augenblick der Verantwortung bewusst wurde, die auf seinen Schultern lag.
    Mary of Egton mochte nicht immer das gewesen sein, was Winston sich unter einer Lady vorstellte, und ihre Neigung, auf alles zu pfeifen, was bewährt und althergebracht war, hatte ihn schon oft in Verlegenheit gebracht. Dennoch war sie ihm gegenüber immer gerecht und fürsorglich gewesen, und das war mehr, als viele Bedienstete von ihren Herren behaupten konnten. Der Kutscher war wild entschlossen, ihr Leben bis zum letzten Atemzug zu verteidigen und alles zu unternehmen, dass sie den Räubern nicht in die Hände fiel.
    Gehetzt blickte er zurück, sah die Reiter, die die Kutsche verfolgten, die Furcht erregenden Masken vor ihren Gesichtern. Weder war Winston schon einmal von Räubern verfolgt worden, noch hatte man ihm je nach dem Leben getrachtet. Der erste Schuss, der gefallen, war, hatte ihm jäh klar gemacht, dass diese Leute es ernst meinten

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