Die Bruderschaft der Woelfe
ernstgemeint, obwohl er nun überhaupt keinen Grund hatte, Raj Ahten etwas Gutes zu wünschen. »Ich soll also in meine Heimat fliehen?« fragte Raj Ahten. »Um Hirngespinsten nachzujagen, während Ihr Eure Grenzen befestigt?«
»Nein«, antwortete Gaborn. »Ich möchte, daß Ihr nach Hause geht und Euch in Sicherheit bringt. Wenn Ihr das tut, werde ich alle mir zu Gebote stehenden Kräfte einsetzen, Euch zu unterstützen.«
»Vor nicht einmal einer halben Stunde habt Ihr noch
versucht, mich umzubringen«, gab Raj Ahten zu bedenken.
»Und was hat diesen Sinneswandel bewirkt?«
»Ich habe Euch Erwählt«, antwortete Gaborn. »Ich wollte meine Kräfte nicht gegen Euch einsetzen, aber Ihr habt mich dazu gezwungen. Ich bitte Euch abermals: Verbündet Euch mit mir.«
Der Junge sucht also einen Verbündeten, begriff Raj Ahten nun. Er fürchtet demnach, er könne die Greifer allein nicht aufhalten.
Er fragte sich, ob er Gaborn dazu überreden konnte, ihm die Zwingeisen auszuhändigen.
»Seht Euch doch um, Raj Ahten«, mischte sich Zauberer Binnesman ein. »Betrachtet das Land hinter Euch, den Tod und die Zerstörung! Ist das die Welt, die Ihr wollt, ein verdorrtes Reich, über das Ihr herrschen könnt? Oder wollt Ihr lieber uns begleiten, in dieses Land, in ein Land, das schön ist und grün, gesund und voller Leben?«
»Ihr bietet mir also Land?« fragte Raj Ahten, ehrlich enttäuscht. »Wie gnädig von Euch: mir Land anzubieten, das ich mir mit Leichtigkeit nehmen könnte – Land, das zu halten Ihr nicht fähig seid.«
»Die Erde befiehlt mir, Euch zu warnen«, sagte Gaborn. »Ich sehe ein Leichentuch über Euch liegen. Einen Mann, der das nicht will, kann ich nicht beschützen. Wenn Ihr in einem der Königreiche Rofehavans bleibt, kann ich Euch nicht retten.«
»Damit zieht Ihr mich nicht über den Tisch«, erwiderte Raj Ahten. Er blickte zurück nach Carris, zu seiner Armee.
In diesem Augenblick fand in Gaborn eine Veränderung
statt. Er fing an zu lachen. Er kicherte nicht nur, sondern er lachte laut und erleichtert aus tiefstem Inneren heraus, und Raj Ahten fragte sich, was diesen Gefühlsausbruch ausgelöst haben mochte. Zu gern hätte er den jungen Mann jetzt gesehen.
»Wißt Ihr«, sagte Gaborn in herzlichem Tonfall, »einst habe ich Euch und Eure Unbesiegbaren gefürchtet. Doch eben ist mir eingeleuchtet, wie ich Euch besiegen kann: Ich brauche nichts weiter zu tun, als Euer Volk zu Erwählen – einen nach dem anderen, Mann für Mann, Frau für Frau, Kind für Kind – und sie zu den Meinen zu machen!«
Nun mußte auch Zauberer Binnesman grinsen und brach in Lachen aus, als er Raj Ahtens mißliche Lage erkannte.
Raj Ahten zuckte innerlich zusammen, als ihm die Wahrheit bewußt wurde: Er hatte in Carris gar keine Armee mehr. Er bezweifelte, ob er überhaupt noch Männer gegen Gaborn würde aufbieten können.
Kaltschnäuzig schlug Gaborn vor: »Geht zurück nach Carris, wenn Ihr Euch traut. Ihr habt zwölf Unbesiegbare besiegt, ich aber habe sechshunderttausend Gefolgsleute. Wollt Ihr gegen sie alle kämpfen?«
»Gebt mir meine Zwingeisen«, erwiderte Raj Ahten ruhig, in der Hoffnung, kraft seiner Stimmgewalt doch seinen Willen erzwingen zu können.
Aber Gaborn Val Orden fuhr ihn an: »Ich feilsche nicht mit Euch, Ihr übler Hund. Ich biete Euch die Luft zum Atmen an, mehr nicht! Verschwindet, bevor ich Euch auch die nehme!«
Raj Ahtens Gesicht rötete sich vor Zorn, und sein Herz pochte laut in seiner Brust.
Er brüllte und tobte.
Ein Dutzend Ritter schoß Pfeile ab. Er schlug mit den Händen um sich und schlug sie zur Seite, einer jedoch bohrte sich in sein verletztes Knie. Er kämpfte gegen die markgefrierende Taubheit an, die ihm alle Kraft rauben wollte.
Und dann stürzte sich die grüne Frau auf ihn. Sie packte ihn bei seinem Harnisch und hob ihn in die Höhe.
Er zielte einen Schlag seines Panzerhandschuhs auf ihren Hals.
Die Wucht seines Hiebs zertrümmerte ihr den rechten Arm und ließ die Frau einen Schritt zurückgehen. Sie erschien überrascht, daß der Schlag überhaupt Wirkung zeigte, überrascht – aber nicht verletzt.
Nun kreischte sie schrill und zeichnete eine kleine Rune in die Luft, dabei vollführte ihre rechte Hand einen komplizierten, kleinen Tanz, der das Auge verwirrte.
Dann schlug sie ihm vor die Brust. Seine Rippen splitterten, bohrten sich in Lunge und Herz. Raj Ahten überschlug sich, wurde mehr als ein Dutzend Meter nach hinten geworfen, wo er einen
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