Die Bruderschaft des Feuers
bringen. Er hasste sich selbst dafür, dass er die Ursache von Venanzios Seelenqualen war.
»Verzeih mir«, bat er deshalb und senkte den Kopf. »Ich weiß, wie sehr du um meinetwillen leidest.«
Zu seiner Überraschung streichelte ihm der Priester über die Wange und hob sein Kinn mit zwei Fingern an. »Ich bereue nichts«, versicherte er. »Aber unsere Abartigkeit ist Sünde und muss ein Ende haben. Darüber sprechen wir, wenn ich zurück bin. Jetzt muss ich gehen.«
»Nein!«, schrie Samuele auf. »Bitte geh nicht. Ich ahne Böses.«
Venanzios Gesicht wurde wieder hart und verschlossen, es wirkte beinahe feindlich. »Jetzt ist es genug, Samuele.«
»Dann gestatte mir, dass ich mit dir komme. Ich werde dir in einigem Abstand folgen, sodass mich niemand bemerkt. Ich möchte mich nur vergewissern, dass dir kein Leid geschieht.«
»Nein, es gibt schon Gerüchte über uns. Du weißt, was geschehen würde, wenn man entdeckte, dass wir beide das Kloster unerlaubt und zur gleichen Zeit verlassen haben? Außerdem muss ich allein gehen. Derjenige, der mich erwartet, könnte misstrauisch werden und nicht erscheinen.« Venanzio sah ihm direkt in die Augen, und sein Blick duldete keinen Widerspruch. »Wage es ja nicht, mir zu folgen«, schloss er. Dann drehte er ihm den Rücken zu und ging in Richtung Pratello, dem Viertel, das nur eine Häuserzeile von der Basilika San Francesco trennte. Samuele blieb stehen und starrte ihm nach, bis Venanzio um die Ecke gebogen war und sich in seinem Kopf das Bild von einem Kuttenzipfel und darunter einem nervös vorwärtsschreitenden Fuß in einer abgetragenen Sandale eingebrannt hatte.
Er kehrte ins Kloster zurück und versuchte vergeblich, den Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen, dass dieser Fuß das Letzte war, was er von Venanzio gesehen hatte.
Es war keineswegs üblich, dass der Podestà sich zum Schauplatz eines Mordes begab. Diese Aufgabe kam, wenn überhaupt, dem Capitano del Popolo zu, oder besser gesagt irgendeinem Richter der städtischen Gerichtsbarkeit. Doch Taverna Tolomei war bekannt für seine Neigung aufzufallen, ganz egal, was er tat. Nur aus diesem Grund, so dachte Mondino grollend, hatte er auf so theatralische Weise seinen Unterricht unterbrochen und von ihm verlangt, mit ihm zu kommen. Der Tote musste eine wichtige Persönlichkeit sein, und dass der Podestà nun in vollem Staat in dessen Haus erschien, noch dazu mit einem berühmten Arzt im Gefolge, der sich die Leiche ansehen sollte, würde ihn bei den Angehörigen ins beste Licht rücken.
Im düsteren Zwielicht, das Regen ankündigte, bewegten sie sich in Richtung Porta Stiera vorwärts und zwangen auf ihrem Weg Fußgänger und Karren, ihnen auszuweichen. Taverna Tolomei bildete die Mitte dieses kleinen Zugs, er wirkte selbstgefällig in seiner blauen, in der Taille von einem roten Gürtel zusammengehaltenen Tunika und dem gefütterten Mantel, der seinen Körper noch plumper wirken ließ. Neben ihm ging der Capitano del Popolo, und von den vier Häschern der Eskorte hatten sich je zwei am Anfang und am Ende des Zuges postiert.
Mondino lief auf dem Schlamm, den die Kälte hart wie Stein hatte werden lassen, hinter den beiden Notabeln her, gefolgt von den zwei Häschern, die den Zug beschlossen. Dies war eigentlich ein Ehrenplatz, aber er kam sich wie ein Gefangener vor und schäumte vor unterdrückter Wut, weil man ihn auf solche Weise abgeholt hatte.
Der Podestà hatte nur gesagt, es gäbe einen Toten, aber Mondino war überzeugt, dass es sich um Mord handelte. Und damit wollte er nichts zu tun haben. Jetzt hätte er gern seinen Onkel Liuzzo zur Seite gehabt und ihn um Rat gefragt. Der hätte bestimmt einen Weg gefunden, um abzulehnen, ohne jemanden zu beleidigen, oder hätte zumindest im Gegenzug für die gewünschte Auskunft einen Vorteil für sich herausgeschlagen und sich danach sofort elegant zurückgezogen.
Doch Liuzzo besuchte gerade Verwandte in der Toskana, um einige Familienangelegenheiten zu klären. Und Mondino konnte nicht anders, er sagte immer ungehemmt und freiheraus, was er dachte. Deshalb hatte er sich in ein feindseliges Schweigen zurückgezogen, seit sie die Medizinschule verlassen hatten.
»Wir sind da«, verkündete der Podestà plötzlich und schaute sich nach ihm um.
In seine Gedanken versunken hatte Mondino kaum auf den Weg geachtet. Jetzt blickte er auf, während man von fern einen Donner hörte. Und ihm blieb der Mund offen stehen. Sie standen vor dem Haus von Azzone
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