Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
seinen Freunden auf dem Vordeck des Achterkastells ausharrte. »Der Sturm wird uns weit nach Südwesten getrieben haben.«
»Sei froh, dass du nicht länger seekrank bist und die Calatrava nicht als Wrack im Meer treibt«, sagte Tarik. Die Trommel des Ru dermeisters begann, mit dumpfen Tönen zu dröhnen, und die langen Reihen der Ruder senkten sich ins Wasser und rauschten im vorgegebenen Takt durch die Fluten. Langsam nahm die Ga leere wieder Fahrt auf. »Richtig, aber mir wäre wohler zumute, wenn wir noch einige der anderen Schiffe in unserer Nähe entdecken könnten«, bemerkte Gerolt, der seinen Blick suchend über die weite See schweifen ließ. Auch zeichnete sich nirgendwo eine Küstenlinie am Hori zont ab. »Mit Sicherheit sind wir Damietta und dem Nildelta näher als Ga za oder Askalon!«, warf McIvor nüchtern ein. »Wir treiben uns so zusagen im Vorhof der Mamelucken herum!« Kapitän Patrikios schien dieselbe Befürchtung zu hegen, sahen sie doch, dass er einen seiner Seeleute in einem Kletterkorb am Vormast als Ausguck hochziehen ließ. Die letzten dunklen Wolken trieben über ihnen auseinander und im Osten brannte sich die Sonne wie eine Scheibe aus rot glühen dem Gold, die frisch aus dem Feuer der Esse kam, durch die mor gendlichen Nebelschleier über der See. Wenige Minuten später gellte der Schrei des Ausgucks aus lufti ger Höhe zu ihnen herab. »Ein Schiff an Steuerbord voraus! . . . Nein, es sind drei Schiffe!« Nikos Patrikios stürzte über das Deck zum Vormast. »Sind es Schiffe von uns?«, schrie er mit angespannter Stimme. »Es sind Galeeren, Kapitän!«, kam es von oben zurück. »Eine Trie re* und zwei kleinere Zweiruderer!«
* Galeere, auch Dreiruderer genannt, mit drei übereinanderliegenden Rei hen von Rudern auf jeder Seite.
Jetzt herrschte atemlose, angsterfüllte Stille auf der Calatrava . Trieren waren fast immer Kriegsgaleeren . »Kannst du ihre Flaggen erkennen? « Der Kapitän erhielt keine Antwort. Der Mann klammerte sich mi t einer Hand an die Mastspitze, beschattete mit der anderen sein e Augen und starrte in südlicher Richtung über die See . »Verdammt noch mal, sag endlich, was du siehst! Niemand ha t bessere Augen als du!«, schrie Nikos Patrikios erregt zu ihm auf . »Welche Fahne weht von ihren Masten? « Im nächsten Moment schallte die Schreckensmeldung von de r Mastspitze: »Es ist der silberne Halbmond der Ungläubigen! «
5
Ein gequältes Aufstöhnen erhob sich an Bord de r Calatrava, gefolgt von dem schrillen Wehgeschrei vie ler Frauen und Kinder, das wie eine Anklage in den jungen Morgenhimmel aufstieg. Passagiere und Mannschaft beklagten ihr unbarmherziges Schicksal. Gerade erst wähnten sie sich einem lebensbedrohlichen Sturm entronnen, da schickte ihnen das Schicksal drei mamelukische Galeeren! »Geh auf westlichen Kurs, Leonides! Unsere einzige Chance liegt dort drüben in den Nebelfeldern!«, schrie Kapitän Patrikios seinem Steuermann zu und brüllte dann zu den Männern an den Ruderbänken hinunter: »Legt euch in die Riemen und rudert, als säße euch der Teufel im Nacken! Wenn wir schnell genug sind und die Nebelfelder tief genug reichen, können wir dem Feind dort vielleicht entkommen!« Und noch während er sie anfeuerte, alle Kraft in ihre Ruderschläge zu legen, steigerte der Rudermeister an der Kesseltrommel auch schon den Schlagrhythmus zu einem rasenden Wirbel. Das Wasser schäumte unter den Ruderblättern, als kochte die See zu beiden Seiten des Galeerenrumpfes. Nikos Patrikios schrie seinem Quartiermeister und seinem Bootsmann Befehle zu. Sie sollten die Waffenkammer aufschließen, Schwerter, Lanzen und Streitäxte an die Mannschaft ausgeben und auch jeden anderen wehrfähigen Mann bewaffnen, der willens und kräftig genug war, um sich notfalls den Mamelucken im Kampf zu stellen. Auch gab er den Befehl, die Schlüssel für die Kettenschlösser der Rudermannschaft bereitzuhalten. Holten die feindlichen Galeeren sie ein und enterten die Mamelucken die Calatrava, würden auch die Sklaven und Sträflinge Waffen erhal ten und um ihr Leben kämpfen müssen. Halfen sie, das Schiff zu retten, erhielten sie die Freiheit. Auch bei Gerolt und seinen Gefährten war die Bestürzung groß. Ihre Sorge galt dem Heiligen Gral, nicht ihrem Leben. »Uns scheint wirklich nichts erspart zu bleiben!«, stieß Gerolt betroffen hervor. »Wenn es zum Kampf kommt, werden wir gegen die Mamelucken nicht viel ausrichten können.« »Unterschätze nicht den Mut und
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