Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
ihnen schmerzten die Arme von der stundenlangen Anstrengung, bei dem heftigen Schlingern und Rollen des Schiffes den Halt nicht zu verlieren und den Granvilles Beistand zu leisten. Was Gerolt, Maurice und McIvor aber am härtesten zusetzte, war die entsetzliche Übelkeit. Sie waren schon kurz nach Ausbruch des Sturms seekrank gewor den, wie fast alle an Bord der Calatrava, die nicht auf Schiffsplan ken zu Hause waren. Längst hatten sie außer bitterer Galle nichts mehr in sich, was sie noch hätten erbrechen können. Nur Tarik blieb von der Seekrankheit mit ihrem Elend verschont. Ihm machten die taumelnden Bewegungen der Galeere nicht das Geringste aus. Den Segeltuchbeutel mit dem Heiligen Gral um seine Schulter geschlungen, stand er sicher und völlig unbeeindruckt vom Toben der See auf breit gespreizten Beinen zwischen ihnen und versuchte, ihnen Mut zuzusprechen. »Nur die Köpfe hoch, Freunde!«, rief er ihnen zu. »Immer den Blick nach vorn halten! Ich sage euch, wir kommen lebend aus dem Sturm heraus! Uns ist anderes bestimmt, als im Meer zu ertrinken! . . . Nur Mut und Gottvertrauen! Von der Seekrankheit stirbt man nicht. Das legt sich sofort, wenn die See wieder ruhig ist. Und wir haben doch schon schlimmere Kämpfe überstanden!« Gerolt warf ihm einen gequälten Blick zu. »Du hast gut reden! Nur dir ist das verfluchte Meer ein Freund!«, stieß er mühsam hervor. »Sag uns lieber, wie lange wir noch leiden müssen!« Tarik starrte angestrengt über die Gischtwolken hinweg, die über das Vorschiff fegten und bis zum Sturmsegel hochflogen. »Nicht mehr lange«, sagte er schließlich und der tosende Wind riss ihm die Worte von den Lippen, als sollte niemand sie hören können. »Mein Gefühl sagt mir, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. Der Sturm wird sich bald legen.« Doch Gerolt, der an Tariks Seite stand, hörte sie. »Gebe Gott, dass dich dein Gefühl nicht trügt!«, stieß er inständig hervor. Es schien jedoch, als hätte Tarik sich geirrt. Denn eine ganze Wei le deutete nichts darauf hin, dass der Sturm an Stärke verlor. Noch immer war die Calatrava ein hilfloser Spielball wild schäu mender Wogen und heulender Böen. Doch dann änderte sich das Wetter rasch. Zuerst ließ der heftige Regen nach und wenig später sank das wütige Heulen des Windes zu einem schwachen Säuseln herab. Zwar blieb die See noch eine ganze Zeit lang aufgewühlt, doch die Brecher rollten nun immer länger aus und drohten nicht mehr, die Galeere leck-zuschlagen und unter sich zu begraben. Die Wellentäler weiteten sich und gaben dem Schiff Raum, die nächste Woge zu erklimmen. Schließlich erstarb der Sturm ganz und die Wolkendecke begann aufzureißen. Im Osten zeichnete sich über den Schaumkronen ein grauer Streifen ab. Hinter dem fernen Horizont dämmerte der neue Tag herauf. Fast eine ganze Nacht lang hatte das Schiff der Vernichtungswut des Sturms standgehalten! Wankenden Schrittes und mit einem Gesicht, das um Jahre gealtert schien, trat Gustave Granville zu Tarik, griff nach seiner Schulter und hielt sich an ihm fest. »Wie habt Ihr bloß erahnt, dass sich der Sturm bald legen würde?«, fragte er fassungslos. Offenbar hatte er einiges von dem Wortwechsel zwischen ihm und Gerolt mitbekommen. »Gott hat es mir offenbart«, antwortete Tarik schlicht und tausch te mit seinen Freunden einen wissenden Blick. Auf der Calatrava brach unter Mannschaft und Passagieren Jubel aus, als offensichtlich war, dass die Gefahr des Untergangs endgültig ge bannt war. Die Menschen fielen mit Tränen der Erlösung und Dankbarkeit auf die Knie. Fromme Gesänge und Dankgebete erhoben sich mit ungeheurer Inbrunst in den noch immer dunklen Himmel. Nikos Patrikios erteilte dem Quartiermeister sogar den Befehl, zwei Fässer Wein an Deck zu schaffen und jedem einen halben Becher auszuschenken. Dann jedoch trieb er seine Männer zur Arbeit an. Er ließ alle verfügbaren Pumpen besetzen, um das im Sturm aufgenommene Wasser so schnell wie möglich aus dem Kielraum zu schaffen. Auch musste am Vormast ein neues Segel gesetzt werden, war das Sturmsegel doch längst in Fetzen gegangen. Gustave Granville begab sich nach der bescheidenen Stärkung schon bald mit seinen Töchtern, die so entkräftet waren wie er, nach unten in die Kabine, um sich in die Kojen zu legen und sich im Schlaf von dem Martyrium der Sturmnacht zu erholen. »Wir werden jetzt wohl um einiges länger brauchen als gedacht, um nach Zypern zu kommen«, seufzte Maurice, der mit
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