Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
der Hand und schlug wie besessen auf die Takelage des Hauptmastes ein, der zu ihrem Verhängnis zu werden drohte. Augenblicke später rissen die letzten Taue mit peitschendem Knall. Vom letzten Widerstand befreit, schoss das zersplitterte Ende des halb über Bord hängenden Mastes samt Segel und Takelage über die Reling, bohrte sich in die aufgewühlten Fluten und wurde fortgeschwemmt. Sofort richtete sich die Calatrava an Backbord wieder auf und nahm eine stabile Lage ein. »Das war verdammt knapp am Kentern vorbei!«, seufzte Gerolt und holte tief Luft. Auch Maurice sah mitgenommen aus. »Hätte die Galeere noch ein paar Minuten länger auf der Seite gelegen, wären wir wohl als diejenigen in die ungeschriebene Geschichte der Bruderschaft eingegangen, die ihr heiliges Amt am kürzesten ausgeübt haben«, murmelte er. »Und mit uns wäre auch das Heiligste für immer auf hoher See verloren gegangen!« »Was nicht ist, kann ja noch werden«, bemerkte McIvor trocken. »Denn ich glaube nicht, dass wir das Schlimmste schon hinter uns haben!« Tarik bekreuzigte sich erschrocken bei der Vorstellung. »Beredet es bloß nicht!« Und um Zuversicht bemüht, fügte er hinzu: »Setzen wir unser Vertrauen in Gott, dass er uns auf den Weg seines Willens führt und uns damit auch sicher aus diesem Sturm herausbringt!« Nikos Patrikios war ein erfahrener Seemann, der schnell erkannte, dass er trotz des gekappten Masts den sicheren Untergang seines Schiffes heraufbeschwor, wenn er am ursprünglichen Kurs festhielt. Zu hoch waren die Gischt speienden Wellenberge, die unablässig heranrollten und gegen die Bordwände hämmerten, als wollten sie die Galeere zermalmen. Der Sturm, der aus Nordosten über das Meer fegte, besaß zu viel Kraft, als dass die Rudermannschaft sich ihm hätte entgegenstemmen können. Die Ruder würden unter dem Ansturm der Wogen schon nach kurzer Zeit brechen. Deshalb gab er Leonides Dukas den Befehl, das Ruder herumzuwerfen und die Galeere vor dem Wind laufen zu lassen. Dann ließ er am Vormast ein Sturmsegel setzen und am Heck einen Treibanker auswerfen. Nur so hatten sie eine Chance, den schweren Sturm abzuwettern. McIvors Vermutung bewahrheitete sich. Der nächtliche Sturm wollte einfach kein Ende nehmen. Stunde um Stunde stürzte der Regen herab, heulte der Wind wie das Hohngelächter des Teufels in der restlichen Takelage und versuchten die Brecher, der Galee re vernichtende Schläge zu versetzen. Hilflos wie ein Korken taumelte die Calatrava durch die See. Im mer und immer wieder stürzte sie hinab in tiefe Wellentäler, die sich wie die Pforten zur Hölle tief unter ihr öffneten und sie in ihren gurgelnden Schlund zu ziehen schienen. Der Sturm, der zeitweise zu einem fürchterlichen Orkan anschwoll, hielt die Galeere in seiner tödlichen Umklammerung, diktierte ihren Kurs und schien mit ihr zu spielen wie eine Katze mit einer gefangenen Maus. Es gab kaum einen an Bord, der nicht schon längst mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Und auch die rohesten Gesellen unter den zum Galeerendienst verurteilten Verbrechern besannen sich wieder auf das Beten und erflehten die Gnade des Allmächtigen. Kapitän Patrikios dagegen verfluchten sie, denn dieser weigerte sich standhaft, sie von ihren Ketten befreien zu lassen. Es berühr te ihn nicht, dass sie wie die Ratten ersaufen würden, wenn die Calatrava sank. Er dachte nur daran, dass er eine Rudermann schaft befehligen konnte, sollte sein Schiff den Sturm überstehen. Waren die Sklaven und Galeerensträflinge dann nicht mehr angekettet, musste er damit rechnen, dass sie ihn und seine Männer überwältigten, über Bord warfen und sich der Galeere be mächtigten, um sich den Seeräubern anzuschließen, die überall das Mittelmeer unsicher machten. Gerolt und seine Gefährten, die keinen einzigen trockenen Faden mehr am Leib hatten, klammerten sich vor dem Kastell auf dem Achterdeck an den Leinen fest, die die Seeleute unter Einsatz ihres Lebens überall gespannt hatten, um sich in dem Getose daran festhalten zu können. Die Ritter hatten die Granvilles in ihre Mitte genommen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, soweit es in ihrer Macht stand. Mittschiffs waren schon einige entkräftete Passagiere von Brechern über Bord gespült worden. Dennoch wollte sich keiner unter Deck begeben, auch Gustave, Beatrice und Heloise Granville nicht. Wenn sie schon sterben mussten, dann doch wenigstens nicht gefangen im Bauch der Galeere! Salz brannte ihnen in den Augen und
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