Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
sein.« Gerolt seufzte. »Da hast du leider recht, zumal bei meinen Brüdern auch nichts zu holen ist.« »Mich wird auch keiner auslösen«, gab McIvor zu. »Mich hat meine Familie verstoßen, wie ihr ja inzwischen alle wisst. Zudem bezweifle ich, dass mein Vater noch lebt. Unser Besitz ist bestimmt längst in die Hände irgendeines Grafen übergegangen.« »Bei mir sieht es genauso düster aus, was Lösegeld betrifft«, sagte Tarik. »Aber dennoch muss ich McIvor zustimmen. Danken wir Gott, dass wir am Leben sind und der Heilige Gral nicht in die Hände des Emirs gefallen ist!« »Ja, und solange er glaubt, für uns ein hohes Lösegeld zu erpressen, haben wir für unser Leben nichts zu befürchten«, pflichtete Gerolt seinen beiden Gefährten bei. »Deshalb sollten wir vorerst auch nichts tun, um ihm diese Illusion zu nehmen. Im Gegenteil, wir sollten ihn darin sogar bestärken. Denn je mehr Gold er für uns zu erhalten glaubt, desto besser wird es uns im Kerker ergehen. Und wenn dann auf unsere Schreiben die erste Ablehnung eintrifft, werden wir gut daran tun, diese Absage nur als Versuch unserer Familien hinzustellen, die Höhe des Lösegeldes herunterzuhandeln. Er wird so schnell kaum Verdacht schöpfen, dass bei uns nichts zu holen ist.« »So sehe ich das auch«, sagte Tarik. »Kein Araber zahlt sofort den zuerst verlangten Preis. Wer so dumm ist, das zu tun und nicht hartnäckig zu feilschen, für den hat er nur Verachtung übrig. Und der Emir wird das nicht anders sehen, sondern sich auf das Feilschen einlassen.« »Aber darüber können Jahre vergehen!«, wandte Maurice ein. »Ihr wisst doch selber, wie lange es dauert, bis ein Brief aus Ägypten irgendwo in der französischen Provinz oder in Schottland ein trifft.« »Mit ein, zwei Jahren werden wir wohl rechnen müssen«, räumte McIvor ein. »Vielleicht auch mit mehr . . .« »Zwei, drei Jahre in einem dreckigen Mameluckenkerker! Das hat mir gerade noch gefehlt!« Maurice stöhnte gequält auf. »So habe ich mir das Leben als Gralsritter nun wirklich nicht vorgestellt! Und wer weiß, in wessen Besitz sich die Calatrava dann befindet! Womöglich liegt sie dann schon irgendwo als Wrack auf dem Meeresboden!« »Gott ist mit dem Geduldigen«, sagte Tarik. »Zudem ist ja gar nicht gesagt, dass wir wirklich so lange im Kerker sitzen werden. Die Zeit wird für uns arbeiten und die geheimen Kräfte, die wir erhalten haben, werden in uns wachsen und uns vielleicht schon bald zu Taten befähigen, die zumindest einen von uns in die Frei heit führen.« »Abbé Villard hat aber von Jahren gesprochen, die vergehen werden, bis sich die Gnadengaben des Heiligen Geistes in uns zu voller Stärke entwickelt haben!«, erinnerte Maurice sie und versetzte ihrer Hoffnung einen starken Dämpfer. »Das ist wohl wahr«, gestand Gerolt mit einem schweren Seufzer ein. »Aber immerhin haben wir ja auch noch die Edelsteine, die wir verschluckt haben, und die Goldstücke. Damit können wir versuchen, unsere Wärter zu bestechen, bevor der Emir erkennt, dass er für uns kein Lösegeld erhalten wird, und uns in die Sklaverei verkauft!«
Für eine Weile verfielen sie in ein Schweigen, das so düster und bedrückend war wie die Dunkelheit, die sie in der Segeltuchkam mer umgab. Jeder hing seinen Gedanken nach und durchlebte noch einmal die letzten Minuten des Gefechtes, während das Wasser am Rumpf vorbeirauschte und die Calatrava mit den Schiffen des Emirs auf das nahe Nildelta zusteuerte. Dann und wann mischten sich in den monotonen Trommelschlag des Rudermeisters und das gleichmäßige Ächzen der Langriemen Befehle vom Oberdeck sowie die Stimmen der Wachen vor der Segeltuchkammer. Von den anderen gefangenen Passagieren der Calatrava war jedoch nichts zu vernehmen. Sie hatte man wohl weiter mittschiffs in den Frachtraum gesperrt. Die Sklaven und Galeerensträflinge, die den Kampf überlebt und sich rechtzeitig ergeben hatten, saßen nun wieder angekettet auf den Ruderbän ken. Die Toten in ihren Reihen waren vermutlich durch Ruder sklaven von den beiden Begleitschiffen der Dschullanar ersetzt worden. Ein schwer bewaffnetes Prisenkommando hatte an Bord der zyprischen Galeere das Kommando übernommen. Es war McIvor, der plötzlich das Schweigen brach. »Vielleicht ist es sinnvoller, wir trennen uns in Cairo!« »Ein tolle Idee, McIvor! Da man uns ja sicherlich völlig frei und un bewacht herumlaufen lässt, schlage ich vor, dass du nach rechts davonspazierst, während ich mich nach
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