Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Steine und Lehmbro cken von den dicken, runden Gitterstäben des rollenden Käfigs ab. Sie entkamen jedoch nicht dem Schwall Urin, den ein Latrinenreiniger aus einem Holzeimer mit großem Schwung nach ihnen schleuderte. Zwar wandten sie noch schnell den Kopf ab und rissen die Arme schützend hoch, aber das bewahrte sie nicht davor, dass ein Großteil des ekeligen Eimerinhaltes sie traf und vom Kopf bis zur Hüfte hinunter nässte. Darüber brachen ihre Bewacher in johlendes, schadenfrohes Gelächter aus. »Hol euch der Teufel! Aber eines Tages wird euch das Lachen schon noch vergehen, darauf könnt ihr Gift nehmen!«, zischte Maurice in ohnmächtiger Wut und wischte sich mit einem trockenen Zipfel seines Mantels über das bespritzte Gesicht. »Wartet es nur ab, ihr gelb gewandeten Affen!« Gerolt hatte Mühe, seinen Brechreiz bei dem stechenden Gestank, der ihm in die Nase stieg, unter Kontrolle zu halten. Schnell beugte er sich vor und griff mit beiden Händen nach dem Gemisch aus altem Stroh und Dreck, das den Boden des Käfigs bedeckte, um sich damit notdürftig trocken zu reiben. Und er zwang sich, nur durch die Nase zu atmen. »Wenigstens ist Beatrice und Heloise diese erniedrigende Behandlung erspart geblieben«, murmelte er, während sie ein Ziegeltor passierten, das mindestens fünfzehn, sechzehn Ellen in die Höhe reichte, von zwei mächtigen Wachtürmen flankiert wurde und offensichtlich zu einer inneren Stadtmauer gehörte. Die beiden überlebenden Granvilles waren mit einem ähnlichen Käfigkarren abtransportiert worden, der jedoch auf allen Seiten mit dunkelbraunen Stoffbahnen verhängt gewesen war. »Und dass sie im Harem des Emirs gelandet sind und nicht auf dem Sklavenmarkt, ist auch Glück im Unglück.« Maurice verzog das Gesicht zu einer bitteren Miene. »Das scheint mir aber ein sehr zweifelhaftes Glück zu sein! Denn die Vorstellung, dass dieser Emir sich an ihnen . . .« Er zog es vor, den Satz nicht zu beenden, und spuckte voller Abscheu aus. Und leise fügte er dann noch hinzu: »Gebe Gott, dass Tarik die Flucht gelungen ist!« »Es sah ganz so aus«, sagte Gerolt, ebenfalls mit gedämpfter Stimme. »Der Emir hätte sonst wohl kaum solch einen Wutanfall gehabt und die Belohnung auf zweihundert Dirham verdoppelt. Und wenn Tarik in Freiheit ist, haben wir allen Grund, zuversichtlich zu sein.« Er versuchte, sich wieder auf den Weg zu konzentrieren, den die Eskorte des Emirs mit ihnen nahm. Doch die nun schnell einbrechende Dunkelheit machte es schwierig, die Orientierung zu behalten und in dem Häusermeer besonders einprägsame Örtlichkeiten auszumachen. Auch ritten jetzt einige der Soldaten rechts und links neben dem Karren her, sodass sie ihm die Sicht versperrten. Was er jedoch eindeutig feststellte, war, dass es nach Süden ging und aus den dicht bebauten Vierteln hinaus in eine viel dünner besiedelte Gegend. Zu ihrer Rechten erhaschte er einen Blick auf das schlanke Minarett einer Moschee, das sich wie eine steinerne Lanze in den Himmel bohrte. Dann zogen mehrstöckige Lehmbauten mit reich verzierten, hölzernen Erkern und vergitterten Balkonen an ihnen vorbei, deren untere Etagen dicht an dicht von Geschäften und Werkstätten belegt waren. Die Luft war erfüllt von einem vielfältigen Gemisch fremdartiger Düfte und Gerüche und der Lärm wogte wie eine ewige Brandung auf und ab, ohne jedoch je völlig zum Erliegen zu kommen. Fast schlagartig legte sich das schwarze Tuch der Nacht über das Land und die Vorhut entzündete einige Fackeln. Kurz darauf hatten sie das enge Häusermeer mit seinem Labyrinth verwinkelter Straßen und Gassen endgültig hinter sich gelassen. Sie mussten die südlichen Vororte von Cairo erreicht haben. Dort gelangten sie plötzlich an das Ufer des Nils und der Wagen rumpelte über die Bohlen einer Brücke, die auf dem Wasser zu schwimmen schien. Heller Lichtschein kam vom anderen Ende der Brücke. »Wo bringt man uns bloß hin?«, murmelte Maurice. Gerolt zuckte die Achseln. »Ich wünschte, ich wüsste die Antwort«, raunte er zurück. Es war inzwischen Nacht und die Eskorte führte sie fern von der lärmenden und stinkenden Enge der gewöhnlichen Bevölkerung an ausschließlich herrschaftlichen Häusern und weitläufigen Palästen vorbei, die zum Teil hinter hohen Mauern lagen. Kunstvoll gearbeitete Laternen beleuchteten die bewachten Zugänge, während die prachtvollen Gebäude mit ihren Terrassen, Säulengängen, Pavillons und parkähnlichen Gärten im
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