Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
den eigentlichen Zellen kamen. Am hinteren Ende des Vorraums sahen sie ein zweites starkes Eisengitter, das vom Boden bis zur Decke reichte. Dahinter erstreckte sich ein Gang, von dem nach beiden Seiten die einzelnen Kerkergewölbe abzweigten. Gerolt zählte je sechs Zellen und jede war groß genug, um ein halbes Dutzend Gefangene bequem unterzubringen. In keine der Zellen fiel direktes Tageslicht. Es gab nur im Mittelgang zwei quadratische, vergitterte Öffnungen, bei denen es sich zweifellos um Luftschächte handelte. Ob sie auch Tageslicht in das Gewölbe brachten, würde der nächste Morgen zeigen. Fast hätten Maurice und Gerolt die zerlumpte Gestalt übersehen, die in der ersten Zelle auf der linken Seite mit angezogenen Beinen an der Wand lag. Erst als der Lichtschein der Lampe, die Mahmud aus dem Vorraum mitgenommen hatte, in die Zelle fiel, bemerkten sie den Mann. Sein Gesicht blieb ihnen verborgen. Dafür sahen sie jedoch die blutigen Geschwüre an seinen nackten Füßen und wirres, verfilztes Haar, das einmal schwarz gewesen war und nun von zahllosen grauen Strähnen durchzogen war. Der Unglückliche trug nicht nur Fußeisen, sondern die Kette seiner Handeisen war an einen Eisenring geschmiedet, der gerade mal in Kniehöhe in das Mauerwerk eingelassen war. Er konnte sich also noch nicht einmal aufrichten, geschweige denn einen einzigen Schritt tun. Weder rührte sich der Mann, noch gab er einen Laut von sich. Womöglich war er tot. Ein kalter Schauer fuhr Gerolt durch den Körper und der Anblick des reglosen, zerlumpten Fremden schnürte ihm die Kehle zu. Erst jetzt wurde ihm bewusst, was ihnen bevorstand. Said schloss gleich die Gittertür des ersten Kerkers rechts vom Mittelgang auf. »Macht es euch gemütlich, und genießt die großzügige Gastfreundschaft unseres Herrn, edle Ritter!«, höhnte er und versetzte Gerolt unerwartet einen groben Faustschlag in den Rücken, der ihn durch die Gittertür stolpern und in den Dreck stürzen ließ. Der halb verweste Kadaver einer ausgewachsenen Ratte kam unter der Streu aus verdrecktem, feuchtem Stroh und klein gehackten Palmenblättern zum Vorschein, als Gerolt vom Gitter wegkroch und sich an der Wand in eine sitzende Position brachte. Die Verwünschung, die ihm auf den Lippen lag, schluckte er mit mühsamer Selbstbeherrschung hinunter. Auch Maurice bekam die harte Faust von Said zu spüren, konnte sich jedoch auf den Beinen halten. Krachend fiel die Zellentür hinter ihm zu und der Schlüssel drehte sich geräuschvoll im Schloss. »Wollt ihr uns nicht die Ketten abnehmen? Wenigstens von den Handeisen könnt ihr uns doch wohl befreien, oder?«, fragte Maurice und hielt demonstrativ die Hände mit der kurzen Eisenkette hoch. »Oder sind drei Eisengitter immer noch nicht genug, damit ihr euch sicher vor uns fühlt? Habt ihr so viel Angst vor zwei unbewaffneten, eingekerkerten Tempelrittern?« Kafur funkelte ihn mit flammendem Hass in den Augen an. »Ich wünschte, der Emir würde davon ablassen, räudige Christenhunde wie euch gegen Zahlung von Lösegeld wieder in die Freiheit zu entlassen!«, zischte er. »Allah, dem einzig Wahren und Allmächtigen, würde es mehr gefallen, wenn euer Blut fließt und eure abgeschlagenen Köpfe im Nil treiben! Aber vielleicht gelingt es mir ja noch, ihn davon zu überzeugen, dass es Allahs Wille ist und er sich ewige Schätze im Himmelreich erwirbt, wenn er euch schon bald eines möglichst langen und qualvollen Todes sterben lässt!« Wenige Augenblicke später fielen auch die beiden anderen Gittertüren unter lautem, metallischem Scheppern hinter dem Eunuchen und den beiden Gefangenenwärtern zu. Noch einmal klirrten die Schlüssel am eisernen Ring, dann entfernten sich die Schritte der Männer auf der Treppe. »Pest und Krätze über ihn! Diesem Eunuchen traue ich jede Abscheulichkeit zu. Und ich habe das unangenehme Gefühl, dass uns das Gold und die Edelsteine hier nicht viel nützen werden«, flüsterte Maurice, während er neben Gerolt mit dem Rücken an der feuchten Kerkerwand herabrutschte. Er zog die Beine an, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte den Kopf in die anei nandergeketteten Hände. »Wir hätten auf der Calatrava doch bes ser bis zum letzten Atemzug gekämpft!« Und du hättest eben besser den Mund gehalten und den Hass dieses Eunuchen nicht auch noch geschürt!, hätte Gerolt ihm am liebsten geantwortet, beherrschte sich jedoch und schwieg. Es reichte, wenn einer von ihnen unbedachte Äußerungen
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