Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
erhielt. Ihre Abreise wirkte wie ein Fanal auf den Rest der zivilen Bevölkerung, der noch hoffend in der Stadt ausgeharrt oder schlichtweg nicht über die finanziellen Mittel für eine Schiffspassage verfügt hatte. Wer wollte jetzt noch vier, fünf Tage warten, bis die versprochenen Flüchtlingsschiffe aus Zypern eintrafen? Bis dahin konnte über Akkon schon längst der Halbmond der Muslims wehen! Und so viele Schiffe konnten gar nicht rechtzeitig genug eintreffen, um diese vielen Tausend Frauen, Kinder und Männer vor der Mordlust der Ungläubigen zu retten. Auf den Kais am Hafen flossen nicht nur Tränen der Angst, Wut und Hoffnungslosigkeit, sondern es floss auch Blut. Seeleute trieben jeden gnadenlos mit Knüppeln und blanker Klinge von ihren Schiffen, der nicht den verlangten Preis zahlen konnte und sich in kopfloser Panik seine Passage gewaltsam erzwingen wollte. Viele skrupellose Kapitäne legten in diesen Tagen den Grundstock zu einem großen Vermögen. Und so mancher warf angesichts der wogenden Menschenmenge, die weinend, bettelnd, schreiend und drohend die Schiffe belagerte, die Leinen an den Kais los, ankerte sicherheitshalber draußen auf Reede und ließ zahlungskräftige Passagiere nur noch mit dem Ruderboot und einer schwer bewaffneten Begleitmannschaft aus dem Hafen zu sich an Bord bringen. Aber es gab auch barmherzige Schiffseigner und Kapitäne, die nicht auf den Geldbeutel schauten und alles in ihrer Macht Stehende taten, um so viele Menschen wie nur möglich aus der Stadt zu retten. Nur reichten ihre Kapazitäten bei Weitem nicht aus, um dem gewaltigen Andrang am Hafen auch nur halbwegs gerecht zu werden. Es mangelte zudem an großen Handels-und Kriegsgaleeren, die mit einem Schlag mehrere Hundert Flüchtlinge aufnehmen konnten. Überhaupt wagte sich so manches Schiff mit Fracht und Passagieren gefährlich überladen auf die mehrtägige Seereise nach Zypern. Und diese Schiffe, die durch ihren extremen Tiefgang viel von ihrer Schnelligkeit und Wendigkeit einbüßten, liefen mehr als andere Gefahr, Opfer der feindlichen Flotte zu werden, die nun verstärkt in den Gewässern vor der Küste kreuzte. Die Kunde, dass Akkon sich im Zustand der Auflösung befand und die christlichen Kriegsgaleeren mit anderen Aufgaben als mit der Sicherung der Seewege beschäftigt waren, lockte zudem auch Seeräuber in diesen Teil des Mittelmeers. Als die Außenmauer des Neuen Turms einstürzte, gelang es den Mamelucken zum ersten Mal, den äußeren Verteidigungsring zu durchbrechen und sich in großer Zahl in den Trümmern dieser Bresche festzusetzen. Die Verteidiger vermochten die feindlichen Truppen nicht zurückzutreiben und wurden auf die innere Mauerlinie zurückgeworfen. Zwar gelang es den Tempelrittern zusammen mit den Johannitern, einem Angriff auf das St.-Antons-Tor unter schweren Verlusten standzuhalten und zu verhindern, dass der Feind in die Stadt eindrang. Aber damit erkämpften sie sich nur einen geringen Aufschub. Die Umklammerung wurde erdrückend. Unter dem pausenlosen Beschuss der vorrückenden Wurfmaschinen stürzten Wehrtürme und öffneten sich immer mehr Breschen in den mürbe gewordenen Mauern der Befestigungsanlagen. Am Morgen des 18. Mai ließ Sultan el-Ashraf Khalil seine gesamte Streitmacht antreten und befahl den konzentrierten Sturmangriff, um Akkon den Todesstoß zu versetzen. Und er warf alles in die Schlacht, was ihm an Kriegern, Wurfmaschinen und Belagerungstürmen zur Verfügung stand.
Der Angriff richtete sich gegen die gesamte Länge der Mauern vom St.-Antons-Tor bis zum Turm des Patriarchen, der sich noch am Südende nahe der Bucht behauptete. Doch die Hauptwucht des Ansturms feindlicher Krieger, die in scheinbar endlosen Wel len gegen die Bollwerke anbrandeten, galt dem Verfluchten Turm. Hier sollte der endgültige Durchbruch in die Stadt erzwun gen werden. Das blutige Ende von Akkon war gekommen.
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Gerolt und seinen Freunden brannte sich das Bild, das sich ihnen zu Beginn dieser letzten und alles entschei denden Schlacht um Akkon bot, unauslöschlich ins Gedächtnis. Und auch kein anderer, der diesen Tag miterlebte und zu jenen wenigen Glücklichen zählte, die mit dem Leben davonkamen und später davon erzählen konnten, sollte bis ans Ende seiner Tage den Anblick des heranstürmenden Mameluckenheers und den unbeschreiblichen Lärm vergessen, der den Angriff begleitete. Nicht nur dass mehr als hunderttausend muslimische, waffenschwingende Krieger ihren schrillen Schlachtruf
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