Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft

Die Bruderschaft

Titel: Die Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
gebraucht einen falschen Namen, da bin ich sicher. Er hat ein Postfach bei einem privaten Anbieter gemietet. Das hier ist, glaube ich, sein dritter Brief.«
    Er zog die ersten beiden Briefe aus dem Schnellhefter. Der oberste trug das Datum des 11. Dezembers.

    Lieber Ricky!
    Hallo, ich heiße AI Konyers und bin Mitte fünfzig. Ich mag Jazz, alte Filme, Humphrey Bogart und Biografien. Ich rauche nicht und mag keine Leute, die rauchen. Meine Vorstellung von einem schönen Abend ist: chinesisches Essen kommen lassen, eine Flasche Wein öffnen und mit einem guten Freund einen alten Schwarzweiß-Western ansehen. Schreib mir mal.
    AI Konyers

    Das war mit Schreibmaschine auf einfachem weißem Papier geschrieben, wie die meisten ersten Briefe. Zwischen den Zeilen stand Angst: Angst davor, entblößt zu werden, Angst vor einer Beziehung zu einem vollkommen Fremden. Jeder einzelne Buchstabe, ja sogar sein Name, war maschinengeschrieben.
    Rickys erste Antwort war der Standardbrief, den Beech inzwischen hundert Mal geschrieben hatte: Ricky war achtundzwanzig, machte eine Entziehungskur in einer Spezialklinik, hatte eine schreckliche Familie und einen reichen Onkel, und so weiter. Und sie enthielt Dutzende begeisterter Fragen: Was machst du beruflich? Hast du eine Familie? Verreist du gern? Wenn Ricky sein Innerstes preisgab, konnte er umgekehrt dasselbe erwarten. Seit fünf Monaten schrieb Beech immer wieder denselben Mist. Er hätte diesen verdammten Brief am liebsten kopiert, aber das ging natürlich nicht. Stattdessen musste er jeden einzelnen mit der Hand schreiben, auf hübschem pastellfarbenem Papier. Und er hatte AI das Foto geschickt, das auch die anderen bekommen hatten. Dieses Foto war der Köder, den fast alle geschluckt hatten.
    Drei Wochen waren vergangen. Am 8. Januar hatte Trevor einen zweiten Brief von AI Konyers gebracht. Er war so steril wie der erste gewesen. Wahrscheinlich hatte Al Gummihandschuhe angezogen, bevor er sich an die Maschine gesetzt hatte.

    Lieber Ricky!
    Vielen Dank für deinen Brief. Ich muss zugeben, dass du mir anfangs leid getan hast, aber anscheinend hast du dich gut eingefügt und weißt, was du willst. Ich hatte nie Probleme mit Alkohol oder Drogen und darum kann ich deine Situation schwer nachvollziehen. Es klingt allerdings so, als würdest du die denkbar beste Behandlung bekommen. Du solltest nicht so hart über deinen Onkel urteilen. Denk doch mal daran, wo du jetzt wärst, wenn er dir nicht geholfen hätte.
    Du hast viele Fragen nach meinen Lebensumständen gestellt. Ich möchte jetzt noch nicht auf mein Privatleben eingehen, auch wenn ich deine Neugier verstehe. Ich war dreißig Jahre lang verheiratet, lebe in Washington, D. C., und arbeite für die Regierung. Meine Arbeit ist anspruchsvoll und erfüllend.
    Ich lebe allein. Ich habe nur wenige Freunde und das ist mir auch ganz recht. Wenn ich reise, dann meist nach Asien. Besonders von Tokio bin ich begeistert.
    Ich denke an dich, AI Konyers

    Über der maschinengeschriebenen Unterschrift stand mit dünnem schwarzem Filzstift »AI«.
    Der Brief war aus drei Gründen höchst uninteressant. Erstens war Konyers unverheiratet - jedenfalls sprach er von seiner Ehe in der Vergangenheit. Eine Ehefrau war für die Erpressung jedoch unerlässlich. Man brauchte nur damit zu drohen, der Frau alles zu verraten und ihr Kopien aller Briefe ihres Mannes zu schicken, und schon kam das Geld.
    Zweitens arbeitete AI für die Regierung und war darum vermutlich nicht allzu vermögend.
    Und drittens hatte AI zu viel Angst. Man musste alles mit der Brechstange aus ihm herausholen. Leute wie Quince Garbe oder Curtis Gates waren da viel angenehmer - sie hatten ihre wahren Neigungen ein Leben lang verborgen und wollten sich nun endlich einmal richtig austoben. Ihre Briefe waren lang und ausführlich und enthielten all die kleinen schmutzigen Informationen, die ein Erpresser brauchte. Bei AI war das anders. AI war ein Langweiler, der nicht wusste, was er wollte.
    Also erhöhte Ricky in seinem zweiten Standardbrief, an dem Beech lange gefeilt hatte, den Einsatz: Ricky hatte soeben erfahren, dass er in ein paar Monaten entlassen werden würde! Und er stammte aus Baltimore. Was für ein Zufall! Er würde vielleicht Hilfe brauchen, einen Job zu finden. Sein reicher Onkel war nicht bereit, noch mehr für ihn zu tun, und Ricky fürchtete, ohne Freunde mit dem Leben dort draußen nicht zurecht zu kommen. Seinen alten Freunden konnte er nicht trauen, denn die

Weitere Kostenlose Bücher