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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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gekommen. Oberst Nicholson hatte sich darauf beschränkt, selber ein Seil des Rammblocks in die Hand zu nehmen und daran für die Dauer von zehn Schlägen heftig zu ziehen, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
    Nachdem der Pfeilertrupp genügend vorangekommen war, setzte Hughes die Bautrupps für den Oberbau ein. Ihnen folgten andere, die den Brückenbelag mit seinen breiten Fahrbahnen und seinen beiden Geländern fertigstellten.
    Die verschiedenen Tätigkeiten waren so gut aufeinander abgestimmt, daß das Fortschreiten der Arbeiten sich von diesem Augenblick an mit mathematischer Regelmäßigkeit fortsetzte.
     
    Ein Zuschauer, der für die Einzelheiten der Bewegung wenig Verständnis aufbrachte, aber ein fanatischer Anhänger von allgemeinen Begriffen war, hätte in der Entstehung der Brücke einen kontinuierlichen Prozeß natürlicher Logik sehen können. Genau den gleichen Eindruck hatte Oberst Nicholson. Mit befriedigtem Blick verfolgte er diese fortschreitende Verwirklichung, die er mühelos getrennt von all dem Staub der elementaren Arbeiten sehen konnte.
    Nur das Ergebnis des Ganzen vermochte seinen Verstand zu interessieren, denn es symbolisierte in einer lebendigen Struktur die erbitterten Anstrengungen und zahllosen Erfahrungen, die im Laufe von Jahrhunderten zu einem Kapital verwandelt worden waren von einer Rasse, die nach und nach durch Arbeit das Niveau der Zivilisation erlangt hatte.
    Manchmal erschien auch Reeves die Brücke im gleichen Licht. Verwundert sah er sie über das Wasser hinauswachsen, sah, wie sie sich quer über den Fluß hin verlängerte, um in die drei Dimensionen des Raumes die handgreifliche Form eines schöpferischen Geistes einzuzeichnen, dessen befruchtende Kraft in wunderbarer Weise seine Konzeptionen und Forschungsergebnisse am Fuße der wilden Gebirge von Thailand verkörperte.
    Auch Saito ließ sich von dem Zauber dieses täglichen Wunders ergreifen. Sosehr er sich auch anstrengte, konnte er sein Erstaunen und seine Bewunderung nur schlecht verheimlichen. Seine Überraschung war natürlich. Da er in die subtile Denkart der abendländischen Zivilisation noch nicht eingedrungen war – wie es Oberst Nicholson so richtig formuliert hatte – und da er diese vor allem noch nicht analysiert hatte, konnte er nicht wissen, bis zu welchem Grade Ordnung, Organisation, Errechnung von Zahlen, symbolische Darstellung auf dem Papier und fachmännisches Koordinieren menschlicher Betätigungen die Durchführung einer Arbeit begünstigen und schließlich beschleunigen. Sinn und Nützlichkeit dieser geistigen Schwangerschaft werden den primitiven Völkern immer fremd bleiben.
    Was Clipton betraf, so war er endgültig von seiner anfänglichen Naivität abgekommen und sah nun demütig ein, daß er zu Unrecht gespottet hatte, als er die Verwendung moderner industrieller Verfahren beim Bau der Brücke über den Kwai-Fluß sarkastisch glossiert hatte.
    Er leistete insgeheim Abbitte dafür, wie das seinem Streben nach Objektivität entsprach; und empfand so etwas wie Gewissensbisse darüber, daß er es so sehr an Scharfsinn hatte fehlen lassen. Er erkannte an, daß die Verfahren der abendländischen Welt bei dieser Gelegenheit unbestreitbare Ergebnisse erzielt hatten. Auf Grund dieser Feststellung gelangte er verallgemeinernd zu dem Schluß, daß diese Verfahren sich »immer« als wirksam erweisen und immer Ergebnisse zeitigen müssen. Die gelegentlich daran geübte Kritik wird ihnen in diesem Punkte nicht hinreichend gerecht. Wie viele andere vor ihm war er der erbärmlichen Versuchung erlegen, billigen Spott zu äußern.
    Da die Brücke tagtäglich an Größe und Schönheit zunahm, hatte man rasch die Mitte des Kwai-Flusses erreicht und bald darauf überschritten. Daher wurde es allen klar, daß sie vor dem Zeitpunkt fertiggestellt sein würde, den das japanische Oberkommando festgesetzt hatte, und daß der siegreiche Marsch der erobernden Armee durch sie keine Verzögerung erfahren werde.

DRITTER TEIL

1
    Joyce leerte mit einem Zuge das Glas Schnaps, das ihm angeboten worden war. Man sah ihm den mühseligen Erkundungsmarsch, von dem er zurückkam, nicht allzusehr an. Er war noch ziemlich munter, und seine Augen waren lebhaft. Noch ehe er das fremdartige, thailändische Gewand abgelegt hatte, in dem ihn Shears und Warden nur mit Mühe wiedererkannten, drängte es ihn, die wichtigsten Ergebnisse seines Auftrages mitzuteilen.
    »Der Schlag läßt sich durchführen, Sir, davon bin ich überzeugt, er

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