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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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habe dem nichts hinzuzufügen. Sein Chef kam daher zu dem Schluß, daß er sich reichlich lange in dem Dschungel von Thailand aufgehalten habe und daß man einen einzigen Mann nicht auf diesem gefährlichen Posten in einem Gebiet belassen konnte, das die Japaner wahrscheinlich durchsuchen würden. Die »Force 316« hatte zu diesem Zeitpunkt Verstärkungen bekommen. Eine andere Mannschaft wurde mit Fallschirmen in einem entfernten Abschnitt abgesetzt, um die Verbindung mit den Thailändern aufrechtzuerhalten, und Warden wurde ins Hauptquartier zurückbeordert. Ein Unterseeboot holte ihn an einer verlassenen Stelle am Golf von Bengalen ab, wohin er sich nach einem abenteuerlichen Marsch von zwei Wochen durchgeschlagen hatte. Drei Tage nach seiner Abfahrt war er in Kalkutta und meldete sich bei Oberst Green.
    Er setzte ihm zuerst kurz die Vorbereitung des Anschlages auseinander und kam dann zu der Ausführung. Er hatte oben vom Berg herab den ganzen Vorgang verfolgt, und es war ihm auch nicht das geringste entgangen. Er sprach zuerst in dem kühlen und gesetzten Ton, der ihm eigen war; doch je weiter er in seinem Bericht kam, desto mehr änderte er sein Verhalten. Seit einem Monat, den er als einziger Europäer inmitten der thailändischen Partisanen verbracht hatte, wühlte ein Aufruhr unausgesprochener Gefühle in ihm. Die unaufhörlich vor seinen Augen wiedererstehenden Einzelheiten des Dramas goren in seinem Hirn, während er zur gleichen Zeit mit seiner Liebe zur Logik sich instinktiv darin erschöpfte, für sie eine vernunftgemäße Erklärung zu finden und sie in eine kleine Zahl von allgemein gültigen Grundsätzen zusammenzufassen.
    Das Ergebnis dieser fieberhaften Überlegungen kam endlich in dem Büro der »Force 316« zutage. Es war ihm unmöglich, sich an einen trockenen, militärischen Berichtsstil zu halten. Er mußte sich endlich von der Flut seiner Ängste, seiner Zweifel, seiner Wut befreien und gleichzeitig rückhaltlos die tiefen Gründe der unsinnigen Lösung des Knotens darlegen, so wie er sie durchforscht hatte. Seine Pflicht war es, einen objektiven Bericht der Geschehnisse zu geben. Er zwang sich dazu, und zeitweise gelang ihm das auch, dann aber verlor er sich von neuem in den Strom seiner entfesselten Leidenschaft. Das Ergebnis war eine seltsame Mischung von manchmal unzusammenhängenden Verwünschungen, die sich mit Passagen einer hinreißenden Verteidigungsrede mischten, in der hier und da die Paradoxa einer überspannten Philosophie und gelegentlich eine Tatsache auftauchten.
    Oberst Green hörte sich mit Geduld und Neugier diesen Schwall phantastischer Beredsamkeit an, in dem er kaum noch etwas von der Ruhe und der berühmten Methodik des Professors Warden wiedererkannte. Es waren vor allem die Tatsachen, die ihn interessierten. Er unterbrach indessen seinen Untergebenen nur selten. Er hatte Erfahrung mit Leuten, die von solchen Aufträgen zurückkehrten, bei deren Ausführungen sie selber ihr Bestes geleistet und dennoch mit einem kläglichen Mißerfolg geendet hatten, für den sie nicht verantwortlich waren. Er schrieb in diesen Fällen einen ziemlich großen Teil dem sogenannten »human element« zu, schloß seine Augen vor den Abschweifungen und schien sich nicht um einen manchmal respektwidrigen Ton zu kümmern.
    »Werden Sie mir sagen, daß der Kleine sich wie ein Narr aufgeführt hat, Sir? Gewiß wie ein Narr, aber niemand hätte in seiner Lage klüger gehandelt. Ich habe ihn, beobachtet.
    Ich habe ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen.
    Ich habe erraten, was er zu diesem Obersten sagte. Er hat das getan, was ich an seiner Stelle auch getan haben würde.
    Ich habe gesehen, wie er sich davonschleppte. Der Zug näherte sich. Ich selber habe es nicht begriffen, als sich der andere auf ihn warf. Das ist mir erst nach und nach aufgegangen, als ich darüber nachgedacht habe . Und da behauptete Shears, daß er viel zuviel nachdächte! Herrgott, im Gegenteil, nicht genug! Er hätte mehr Scharfsinn, mehr Menschenkenntnis haben müssen. Dann wäre ihm aufgegangen, daß es in unserem Beruf nicht genügt, irgend jemandem den Hals abzuschneiden! Man muß auch noch dem richtigen Mann den Hals abschneiden! Das ist doch auch Ihre Meinung, Sir, nicht wahr?
    Eine überlegene Intelligenz, das war es, was man gebraucht hätte. Es kam darauf an, den wirklich gefährlichen Feind zu wittern, zu begreifen, daß dieser verehrungswürdige Trottel nicht zulassen konnte, daß sein Werk zerstört

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