Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
Magi operieren ganz offiziell im Palast, um die königliche Familie zu ›beschützen‹. Es wäre ihnen ein Leichtes, die Nesti zu beseitigen. Es braucht nicht mehr als einen kleinen Wink von mir, den ich auf Euren Befehl hin geben werde.«
»Wie lustig«, kicherte Wurther. »Wir können einem Norer befehlen zu winken.«
»Können wir uns hundertprozentig darauf verlassen, dass Eure Agenten Olfuss und seine Familie töten werden? Wer sind sie?«, fragte Lucia mit funkelnden Augen.
»Rutt Sordell ist der persönliche Leibwächter des Königs. Samir Taguine beschützt die Königin …«
»Taguine?«, unterbrach Korion. »Der wandelnde Tod höchstpersönlich?« Der General sah beeindruckt aus.
»Ebenjener. Und Elena Anborn wacht über Olfuss’ Kinder.«
»Eine Frau?«, schnaubte Betillon. »Können wir uns darauf verlassen, dass sie das Zeug dazu hat, ihre Schützlinge zu töten?«
»Glaubt Ihr denn, wir Frauen wären nicht in der Lage zu tun, was Kore verlangt, Tomas?«, tadelte Lucia ihn sanft. »Ich bin sicher, Magister Gyle wählt seine Agenten mit größter Sorgfalt aus, oder etwa nicht, verehrter Magister?« Sie blickte Gyle unverhohlen an, ein blutdürstiges Leuchten in den Augen. »Wird diese Frau die Kinder töten, Magister Gyle?«
»Sie ist eine herzlose Hexe, wenn Ihr mir die Wortwahl verzeihen mögt, Eure Heiligkeit«, erwiderte er ruhig. Siehst du, Elena, jetzt kennt sogar die Kaiserinmutter deinen Namen. Endlich hast du den Ruhm, der dir gebührt.
Lucia lächelte erfreut. »Bestens. Die Dame gefällt mir jetzt schon …« Dann hielt sie plötzlich inne, die Stirn in Falten. »Wartet. Sie ist eine Anborn ? Treiben nicht auch die Anborn Unzucht mit dem verfluchten Händlerpack?«
Gyle neigte den Kopf. »Ihr habt natürlich recht. Ihre Schwester Tesla ist mit einem Kaufmann verheiratet, doch sie ist mittlerweile nur noch ein ausgebranntes Wrack. Elena hat seit Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen. Während der Revolte gehörte sie zu meinen Grauen Füchsen. Anstelle eines Herzens trägt sie einen Stein in der Brust, Eure Heiligkeit. Sie ist eine Meuchlerin, durch und durch.«
»Mir kam zu Ohren, dass Ihr das Bett mit ihr teilt«, merkte Calan Dubrayle an.
»Das ist lange her, Herr. Es hat sie bei der Stange gehalten.«
»Eine Frau sollte genauso wenig mit ihrer Möse denken wie ein Mann mit seinem Schwanz«, ließ die heilige Lucia vernehmen und genoss es sichtlich, wie die anwesenden Männer zusammenzuckten.
»Wenn Euer Schwanz sie also nicht mehr bei der Stange hält, Gyle, wie versichert Ihr Euch dann ihrer Loyalität?«, wandte Betillon sachlich ein. »Oder der der anderen? Was gedenkt Ihr zu tun, falls sie auf die Idee kommen, sie seien des Tötens müde, weil sie vielleicht schon genug Gold für ein Auskommen im Alter angehäuft haben?«
»Meine Agenten sind sich vollauf bewusst, dass ihnen diese Möglichkeit nicht offensteht, edler Herr. Es gibt keinen Ort, der verborgen genug wäre, um sich dort zu verstecken. Niemand ist unerreichbar. Befehlsverweigerung käme einem Todesurteil gleich, und das wissen sie. Außerdem verwalte ich ihre Vermögen. Sobald sie sich meinen Unwillen zuziehen, verlieren sie alles.«
Betillon grinste finster und nahm schlürfend einen Schluck Wein. »Das dürfte wohl genügen. Wann schlagen wir zu? Je früher, desto besser, würde ich meinen, denn es vergeht nicht ein einziger Tag in Hebusal, an dem diese Dorobonen-Hexe sich nicht über die Zustände in Javon beklagt.«
»Der richtige Zeitpunkt ist in der Tat von größter Wichtigkeit. Die Tötungen werden das Reich destabilisieren, und die Dorobonen brauchen genug Zeit, um Javon noch vor dem nächsten Kriegszug zu unterwerfen. Mein Plan ist deshalb, in drei Monaten, im Okten, zuzuschlagen. Damit bleiben uns noch neun Monate bis zur nächsten Mondflut. Wir werden die eine Tochter töten und die andere mit einem Gorgio verheiraten, was der neuen Regierung Legitimität verschafft und die Machtübernahme durch die Dorobonen beträchtlich erleichtern wird.« Gyle blickte in die Runde und sah, wie alle nickten. »Und wenn sich die Leviathanbrücke nächstes Jahr öffnet, ist Javon bereits in unseren Händen.«
»Welche Notfallvorkehrungen habt Ihr getroffen?«, fragte Dubrayle. »Kein Plan funktioniert jemals fehlerfrei.«
Deine vielleicht nicht, meine schon . Gyle hütete sich, den Gedanken laut auszusprechen. »Ich stehe in bestem Kontakt zu zahlreichen weiteren Magi, unter ihnen auch Gestaltwandler, die
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