Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
Epoche nachhaltig prägen. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass wir einige Rückschläge erlitten haben. In Javon, das eine strategische Schlüsselrolle auf dem östlichen Kontinent einnimmt, wurde die Dorobonen-Dynastie gestürzt, die wir dort eingesetzt hatten. Jetzt herrschen dort die Nesti, ein altes rimonisches Senatorengeschlecht. In Javon leben Rimonier und eine Untergruppe der Keshi, die sich Jhafi nennen. Das Königreich liegt nordöstlich von Hebusal und kontrolliert aufgrund seiner Lage die Hügel oberhalb des Tals von Zhassi. Wer Javon kontrolliert, kontrolliert auch Hebusal und Kesh. Um unseren Vormarsch zu sichern, müssen wir zunächst die Kontrolle über Javon erlangen. Es ist ein komplexes Reich, und mein Kollege Gurvon kennt es wie seine Westentasche. Er wird Euch jetzt unsere Pläne für Javon darlegen.«
Gyle blickte in die Runde und leckte sich die mit einem Mal trockenen Lippen. Kaiser Constant sah gelangweilt aus, doch Lucia beugte sich vor, ganz auf Gyle konzentriert. Korion und Betillon wirkten mürrisch, auf der Hut, und Dubrayle sah aus, als habe man ihn auf ein Nagelbrett gesetzt. Nur der Große Kirchenvater Wurther schien ganz entspannt. Natürlich, die Religion: Balsam für die Seele .
Gyle räusperte sich und erhob das Wort: »Eure Hoheiten, als die Javonier vor sechs Jahren die Dorobonen-Dynastie stürzten, wählten sie Olfuss Nesti zum König. Ja, sie ›wählten‹ ihn, denn in Javon halten sie nach wie vor an der alten rimonischen Tradition fest, darüber abzustimmen, wer der nächste Herrscher wird. Und es kommt noch besser: Es mag Euch erschrecken zu hören, dass den Thron nur besteigen darf, wer gemischten Blutes ist – rimonischen und jhafischen Blutes. Dieses Gesetz wurde eingeführt, nachdem die ersten Rimonier sich in Javon angesiedelt hatten, um künftige Bürgerkriege zu verhindern. König Olfuss ist gemischten Blutes, und seine Frau ist eine Jhafi. Sie haben zwei Söhne und zwei Töchter. Letztes Jahr habe ich dafür gesorgt, dass der ältere Sohn und Erbe des Throns einen tödlichen Unfall hatte. Die beiden Töchter sind jetzt siebzehn und sechzehn Jahre alt, der jüngere Sohn ist sieben. Die beiden werden keine weiteren Kinder mehr bekommen. Würde Olfuss sterben, würde die ältere Tochter die Regentschaft übernehmen, bis der Siebenjährige die Volljährigkeit erreicht.«
»Sohn und Erbe?«, fragte Lucia verwirrt. »Müsste nicht ein neuer König gewählt werden?«
Gyle schüttelte den Kopf. »Javon ist komplex, wie ich bereits sagte. Stirbt der König eines gewaltsamen Todes, erben seine Kinder den Thron – eine Vorsichtsmaßnahme, um Königsmord zu verhindern.«
Korion und Betillon schnaubten verächtlich, ebenso wie der Kaiser – Constant hatte den Thron bestiegen, nachdem sowohl sein Vater als auch seine ältere Schwester eines mysteriösen Todes gestorben waren.
Gyle wartete, bis er wieder ihre volle Aufmerksamkeit hatte. »In wenigen Monaten wird Salim, der Sultan von Kesh, Olfuss ein Ultimatum stellen und verlangen, dass Javon sich der Fehde gegen uns anschließt. Olfuss wird seinen Forderungen selbstverständlich nachgeben, denn er ist halb Rimonier und halb Jhafi – und beide Völker hassen Rondelmar zutiefst. Was wir also tun müssen, ist, einen Umsturz zu veranlassen und die Dorobonen wieder einzusetzen.«
»Wer wird sie in Javon unterstützen?«, fragte Kaltus Korion.
»Die Gorgios sind das zweitgrößte Haus Rimonis. Sie waren es, die während des Dorobonen-Regimes die Strippen zogen. Seit dem Umsturz durch die Nesti sind sie geächtet. Sie sind reich, aber es gibt wenig jhafisches Blut in ihrer Linie, weshalb sie nie den König stellen konnten. Sie sind unsere wichtigsten Verbündeten bei der Wiedereinsetzung der Dorobonen.«
»Wer ist Thronerbe der Dorobonen?«, fragte Calan Dubrayle.
»Francis Dorobon. Er besucht ein Arkanum in Noros und geht in dieselbe Klasse wie Euer Sohn Seth, General Korion. Seine Mutter und Schwester leben im Gouverneurspalast in Hebusal.«
»Schafft mir diesen Drachen von Witwe vom Hals, dann habt Ihr meinen Segen«, brummte Tomas Betillon.
»Wie viele Magi habt Ihr in Javon, Magister Gyle?«, fragte Lucia.
»Eure Heiligkeit, ich betreibe einen Sicherheitsdienst und vermiete Schutzmagi an wichtige Persönlichkeiten. In den letzten zehn Jahren operierte er in Noros, Bricia sowie Lantris und seit vier Jahren auch in Javon, da König Olfuss Nesti dort ebenfalls meine Dienste angefordert hat. Drei meiner
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