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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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einigen Erfolg in den Hitlisten. Ihre Leadsängerin trennte
sich von ihnen, um die Hälfte der Eurythmics zu werden. Er wurde
dauernd gefragt, ob er mit ihr verwandt sei. Das Glück habe ich
nicht, seufzte er.
    Es gab sanfte Stimmen, hübsche Hinterteile. Andrea hatte ihre
verschiedenen Abenteuer, und er versuchte, nicht eifersüchtig zu
sein. Es ist keine Eifersucht, redete er sich ein, es ist mehr wie
Neid. Und Angst. Einer von ihnen könnte ein netterer,
freundlicherer, besserer Mann sein als ich und zärtlicher.
    Einmal verschwand sie für beinahe zwei Wochen von der
Bildfläche, weil sie eine Art von Zeitsprung-Beziehung zu einem
jungen Dozenten von Heriot Watt hatte, die sich innerhalb von
zwölf Tagen aus der Liebe auf den ersten Blick zu
Türenknallen, geworfenen Blumenvasen und zerschmetterten
Fenstern entwickelte. Sie fehlte ihm, während sich all das
abspielte. In der zweiten Woche nahm er sich Urlaub und fuhr nach
Nordwesten. Zu dem Range Rover und dem GTI hatte sich eine Ducati
gesellt; er besaß ein Ein-Mann-Zelt, einen
Himalaya-Standard-Schlafsack und auch sonst die beste
Wanderausrüstung. Mit dem Motorrad brauste er in das westliche
Hochland hinein und verbrachte Tage mit einsamen Wanderungen in den
Hügeln.
    Als er zurückkam, hatte sie mit dem Dozenten Schluß
gemacht. Er sprach mit ihr am Telefon, aber sie zeigte ein
merkwürdiges Widerstreben, sich mit ihm zu treffen. Das machte
ihm Sorgen; er schlief nicht gut. Eine Woche später sah er sie
dann noch, und sie hatte einen verblassenden gelben Fleck um das
linke Auge. Das fiel ihm nur auf, weil sie vergaß, ihre dunkle
Brille in der Wirtschaft aufzubehalten. »Ah«, sagte
sie.
    »Ist das der Grund, warum du mich nicht sehen wolltest?«
fragte er sie.
    »Tu nichts«, sagte sie. »Bitte. Es ist alles
vorbei, und ich könnte ihn mit Wonne erwürgen. Aber
berühre du ihn mit einem Finger, und ich werde nie wieder mit
dir reden.«
    »Wir nehmen nicht alle«, erwiderte er kalt, »ganz
so schnell Zuflucht zur Gewalt. Du hättest mir vertrauen sollen;
ich war die letzte Woche krank vor Sorge.« Dann wünschte
er, er hätte das nicht gesagt, denn sie brach zusammen,
klammerte sich an ihn und weinte, und er erkannte wenigstens zum
Teil, was sie durchgemacht hatte; er kam sich gemein und
selbstsüchtig vor, daß er ihren Kummer noch vermehrte. Sie
schluchzte an seiner Brust, und er streichelte ihr Haar. »Komm
nach Hause, Mädchen«, sagte er zu ihr.
    Er machte noch mehrmals Wanderungen, nutzte die Gelegenheit, wenn
sie in Paris war, um von Edinburgh wegzukommen und die Inseln und die
Berge aufzusuchen. Auf dem Hin- und Rückweg machte er bei seinem
Vater halt. Eines Abends bei Sonnenuntergang kampierte er am Hang des
Beinn a’ Chaisgein Mor – in der Nähe war eine
Schutzhütte, aber wenn das Wetter gut war, zog er es vor, das
Zelt aufzubauen –, sah über den Fionn Loch und den kleinen
Damm hin, den er morgen überqueren würde, um zu den Bergen
auf der anderen Seite zu gelangen, als er plötzlich dachte:
Ebenso wie er in all diesen Jahren niemals in Paris gewesen war,
hatte Gustave niemals Edinburgh besucht.
    Ahhh. Vielleicht war es nur die Wirkung des letzten Joint, aber in
diesem Augenblick fühlte er sich dem Franzosen, den er nie
kennengelernt hatte, merkwürdig nah, auch wenn sie tausend
Meilen und all diese nicht geteilten Jahre voneinander entfernt
waren. Er lachte in die kühle Hochlandluft hinein. Der Wind
bewegte die Flanken des Zeltes, als atmete es.
    Eine seiner frühesten Erinnerungen war die an Berge und an
eine Insel. Seine Mum und sein Dad, seine jüngste Schwester und
er waren in den Ferien nach Arran gefahren; er war drei Jahre alt
gewesen. Als der Raddampfer den glitzernden Fluß hinunter auf
die ferne blaue Masse der Insel zufuhr, hatte sein Dad ihnen den
Schlafenden Krieger gezeigt: Die Bergkette am Nordende der Insel sah
aus wie ein behelmter Soldat, der über der Landschaft lag,
mächtig und gefallen. Diesen Anblick hatte er nie vergessen,
auch nicht die vielfachen Begleitgeräusche, das Schreien der
Möwen, das Klatschen der Radschaufeln, eine Akkordeon-Kapelle,
die irgendwo an Bord spielte, das Lachen der Menschen. Er bekam davon
auch seinen ersten Alptraum, in dem Bett, das er mit seiner Schwester
in dem Gästehaus teilte, und seine Mum mußte ihn
aufwecken, er hatte geweint und gewimmert. In seinem Traum war der
große steinerne Krieger aufgewacht und langsam, grauenhaft,
knirschend herangekommen, um seine Eltern zu

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