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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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beschreiben. Er hatte das
Zimmer in der Sciennes Road aufgegeben und eine kleine
Zweizimmer-Wohnung in Canonmills gemietet. Andrea zog mehr oder
weniger zu ihm, obwohl sie die Wohnung in Comely Bank behielt. Eine
Cousine von ihr aus Inverness, Shona mit Namen, blieb dort,
während sie auf das College für Leibeserziehung in Cramond
ging. Das war der Ort, aus dem Andreas Familie ursprünglich
stammte.
    Er mußte immer noch in den Ferien arbeiten, und sie
verbrachte ihre Ferien immer noch mit ihrer Familie und mit Freunden
im Ausland, was ihn sowohl eifersüchtig als auch neidisch
machte, aber jedes Mal, wenn sie sich wiedersahen, war es wie zuvor,
und ab einem gewissen Punkt – es gelang ihm nie, ihn zeitlich
genau zu fixieren – begann er, in ihrer Beziehung etwas zu
sehen, das länger anhalten könnte als nur über das
nächste Semester. Er dachte sogar daran, eine Heirat
vorzuschlagen, aber eine Art Stolz in ihm wollte es nicht zulassen,
daß der Staat – von der Kirche ganz zu schweigen –
auf diese Weise beschwichtigt wurde. Das, worauf es ankam, lag in
ihren Herzen (oder vielmehr in ihren Gehirnen), nicht in den
Unterlagen eines Standesamtes. Außerdem, gestand er sich ein,
hätte sie wahrscheinlich Nein gesagt.
    Sie waren jetzt wohl Ex-Hippies, wenn sie überhaupt jemals
Hippies gewesen waren. Die »Flower power«… – nun,
die Menschen wählen sich ihre eigenen Phrasen – war
gewelkt, hatte Samen gebildet, war verblüht und gestorben –
einmal regte er an, das Problem sei
Blütenblatt-Ermüdung.
    Sie hatte für einen guten Abschluß schwer gearbeitet,
und nach der Graduierung nahm sie sich ein Jahr frei. Er beendete
indessen sein eigenes Studium. Sie machte kurze Ausflüge zu
Leuten in anderen Teilen Schottlands und Englands und in Paris und
längere Reisen in die Vereinigten Staaten, das restliche Europa
und die Sowjetunion. Sie erneuerte die Bekanntschaft mit ihren
Edinburgher Freunden, pflegte für ihn zu kochen, während er
lernte, besuchte ihre Mutter, spielte manchmal Golf mit ihrem Vater
– mit dem sich zu seiner Verwunderung gut reden ließ
– und las Romane auf Französisch.
    Als sie aus der Sowjetunion zurückkam, brachte sie den
Entschluß mit, Russisch zu lernen. Manchmal fand er sie, wenn
er nach Hause kam, über Romanen und Sachbüchern
brüten, die mit dem seltsamen, halb vertrauten kyrillischen
Alphabet gefüllt waren, die Stirn gerunzelt, den Bleistift in
der Schwebe über einem Notizbuch haltend. Sie hob dann den Kopf,
sah ungläubig auf ihre Uhr und entschuldigte sich, daß sie
nichts für ihn gekocht habe. Er sagte, sie solle kein dummes
Zeug reden, und kochte selbst.
    Bei der Feier seiner eigenen Graduierung fehlte er, denn er lag in
der Royal Infirmary und erholte sich von einer Blinddarmoperation.
Aber seine Mutter und sein Vater gingen zu der Zeremonie, nur um zu
hören, wie sein Name verlesen wurde. Andrea kümmerte sich
um sie; sie kamen alle prima miteinander aus. Sogar als die
beiderseitigen Eltern sich kennenlernten, erstaunte es ihn, daß
sie wie alte Freunde miteinander plauderten. Er schämte sich,
daß er sich seiner eigenen Eltern jemals geschämt
hatte.
    Stewart Mackie lernte Shona kennen, die Cousine aus Inverness. Sie
heirateten in dem Jahr nach Stewarts Graduierung. Er war Stewarts
»best man«, Andrea war Shonas Ehrenjungfrau. Beide hielten
sie beim Empfang Ansprachen; seine war besser vorbereitet, aber ihre
wurde besser vorgetragen. Er saß da und betrachtete sie, die
stand und sprach, und dabei kam ihm zu Bewußtsein, wie sehr er
sie liebte und bewunderte. Er war auch auf unbestimmte Art stolz auf
sie, obwohl er das Gefühl hatte, das sei falsch. Sie setzte sich
unter begeistertem Applaus. Er hob ihr das Glas entgegen. Sie
zwinkerte ihm zu.
    Ein paar Wochen später sagte sie ihm, sie denke daran, nach
Paris zu gehen, um dort Russisch zu studieren. Zuerst glaubte er, sie
scherze. Er sah sich immer noch nach einem Job um. Er hatte die vage
Idee, mit ihr zu gehen – vielleicht konnte er einen Schnellkurs
in Französisch absolvieren und sich drüben Arbeit suchen
–, aber dann wurde ihm eine gute Stellung in einer Firma
angeboten, die Kraftwerke entwarf; er mußte sie annehmen. Drei
Jahre, sagte sie zu ihm. Es wird nur drei Jahre dauern. Nur? fragte er. Sie versuchte, ihm die Sache mit dem Gedanken an
gemeinsame Ferien in Paris schmackhaft zu machen, aber es fiel ihm
schwer, auf sie einzugehen.
    Er war sowieso machtlos, und sie bestimmte.
    Er wollte sie nicht

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