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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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bevor er
zu alt dafür wurde, durch Kanada und Amerika ebenfalls mit dem
Zug, per Anhalter und mit Bussen und Zügen hinunter nach Marokko
und zurück. An dieser Reise hatte er kein Vergnügen; er war
erst fünfundzwanzig, aber er fühlte sich bereits alt. Auf
seinem Kopf entstand eine kahle Stelle. Immerhin kam zum Schluß
eine wundervolle Eisenbahnfahrt, vierundzwanzig Stunden lang durch
Spanien von Algeciras nach Irun zusammen mit ein paar Amerikanern.
Sie hatten den besten Stoff, den er je probiert hatte. Er sah die
Sonne über der Ebene von Mancha aufgehen und lauschte den
Symphonien, die die Stahlräder des Zuges spielten.
     
    Immer fand er einen Vorwand, Paris nicht zu besuchen. Er wollte
Andrea dort nicht sehen. Sie kam hin und wieder zurück,
verändert, anders, irgendwie stetiger und ironischer und sogar
noch selbstsicherer. Ihr Haar war jetzt kurz, sehr schick, nahm er
an. Sie machten Urlaub an der Westküste und auf den Inseln
– wenn er sich die zusätzlichen freien Tage nehmen konnte
–, und einmal reisten sie in die Sowjet-Union. Es war sein
erster, ihr dritter Besuch. Er erinnerte sich natürlich an die
Züge und die Fahrten mit ihnen, aber auch an die Menschen, die
Bauwerke und die Kriegsdenkmäler. Doch es war nicht das Gleiche.
Er war frustriert, nicht fähig, mehr als ein paar Worte Russisch
zu sprechen, und wenn er hörte, wie sie vergnügt mit den
Leuten plauderte, hatte er das Gefühl, sie an eine Sprache
verloren zu haben (und noch dazu an eine Fremdsprache, dachte er
bitter. Er wußte, es gab einen anderen in Paris).
    Er arbeitete an Verbesserungen und Weiterentwicklungen und machte
Geld. Etwas davon schickte er seiner Mum nach Hause, jetzt, wo sein
Dad auf Rente war. Er kaufte einen Mercedes und tauschte ihn kurz
darauf gegen einen alten Ferrari um, bei dem er ständig
Ärger mit den Zündkerzen hatte. Schließlich blieb er
bei einem drei Jahre alten roten Porsche, obwohl er eigentlich einen
neuen wollte.
    Er fing an, sich mit einem Mädchen namens Nicola zu treffen,
einer Krankenschwester, die er kannte, seit ihm in der Royal
Infirmary der Blinddarm herausgenommen worden war. Die Leute machten
Witze über ihre Namen, nannten sie Imperialisten, fragten sie,
wann sie Rußland zurückfordern würden. Sie war klein
und blond und hatte einen großzügigen, willigen
Körper. Sie mißbilligte es, daß er Hasch rauchte,
und sagte ihm – als er einen Haufen Geld für Koks ausgab
–, er sei verrückt, daß er sich Geld in die Nase
stopfe. Er hatte eine Schwäche für sie. Das sagte er ihr
einmal, als sie es von ihm zu hören erwartete, er liebe sie. Ich
fühle mich jeden Morgen schwach, du Tier, sagte sie, lachte und
schmiegte sich an ihn. Er lachte ebenfalls, doch ihm fiel auf,
daß das der einzige Witz war, den sie je gemacht hatte. Sie
wußte über Andrea Bescheid, sprach jedoch nicht
darüber. Nach sechs Monaten trieben sie auseinander. Danach
sagte er, wenn er gefragt wurde, er nehme mit, was sich eben so
biete.
    Eines Morgens um drei Uhr, als er gerade mit einer früheren
Mitschülerin Andreas bumste, läutete das Telefon. Der
Apparat stand neben dem Bett. Mach schon, sagte sie kichernd, melde
dich. Sie klammerte sich an ihm fest, während er sich über
das Bett auf den läutenden Apparat zuschob. Es war seine
Schwester Morag, die ihm sagen wollte, daß seine Mutter vor
einer Stunde im Southern-General-Krankenhaus in Glasgow am
Schlaganfall gestorben war.
    Mrs. McLean mußte sowieso nach Hause. Sie ließ ihn auf
der Bettkante sitzend zurück. Er hielt sich den Kopf und dachte:
Wenigstens ist es nicht Dad, und haßte sich dafür,
daß er es dachte.
    Er wußte nicht, wen er anrufen sollte. Er dachte an Stewart,
aber er wollte ihr jüngstes Kind nicht aufwecken; sie hatten mit
dem Baby Probleme, weil es schlecht schlief. Er rief Andrea in Paris
an. Ein Mann meldete sich, und als ihre schläfrige Stimme
erklang, wußte sie anscheinend nicht einmal, wer er war. Er
sagte ihr, er habe schlechte Nachrichten… Sie legte auf.
    Er konnte es nicht glauben. Er versuchte, noch einmal anzurufen,
aber die Nummer war besetzt. Die internationale Vermittlerin konnte
auch nicht durchkommen. Er zog sich an. Der Hörer lag derweilen
auf dem Bett und gab das sinnlose Besetztzeichen von sich. Dann begab
er sich mit dem Porsche auf eine lange Fahrt bei Sternenlicht nach
Norden, beinahe bis zu dem Cairngorms. Zu der Zeit waren die meisten
Bänder, die er im Auto hatte, Pete-Atkin-Alben, denn Clive
James’ Lieder

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