Die Brücken Der Freiheit: Roman
Damals hatten sie beide geglaubt, Freunde fürs Leben zu sein, doch dann, im folgenden Winter, begann für Mack die Arbeit unter Tage, und von da an fehlte ihm die Zeit zum Spielen.
Er kannte auch einige der Gäste der Jamissons. Lady Hallim und ihre Tochter Lizzie waren ihm vertraut. Über Lizzie Hallim gab es immer wieder skandalöse Gerüchte im Tal. Sie stromere in Männerkleidung und mit einem Gewehr über der Schulter durchs Gelände, sagten die Leute. Sie schenkte einem barfüßigen Kind ihre Stiefel - nur um danach dessen Mutter auszuzanken, weil sie es versäumt hatte, ihre Türschwelle zu schrubben. Mack hatte Lizzie schon jahrelang nicht mehr gesehen. Das Gut der Hallims hatte seine eigene Kirche, weshalb die Bewohner nicht Sonntag für Sonntag ins Dorf zu kommen brauchten. Sie kamen nur, wenn die Jamissons im Lande waren. Mack erinnerte sich an seine letzte Begegnung mit Lizzie. Das Mädchen war damals ungefähr fünfzehn Jahre alt gewesen und wie eine feine Dame gekleidet, hatte aber wie ein Junge die Eichhörnchen mit Steinen beworfen.
Macks Mutter war früher einmal Zofe in High Glen House gewesen, dem Wohnsitz der Hallims, und nach ihrer Heirat an Sonntagnachmittagen des öfteren dorthin zurückgekehrt, um ihre alten Freundinnen zu besuchen und stolz ihre Zwillinge vorzuführen. Bei diesen Gelegenheiten hatten Mack und Esther wahrscheinlich ohne Wissen von Lady Hallim - mit Lizzie gespielt. Das Mädchen war ein richtiges kleines Luder gewesen: dickköpfig, rechthaberisch und verwöhnt. Einmal hatte Mack sie geküßt, worauf sie ihn so heftig an den Haaren zog, daß er zu weinen anfing. Allzusehr schien sie sich nicht verändert zu haben: Sie hatte ein kleines, koboldhaftes Gesicht und einen dunkelbraunen Lockenkopf. Ihr Mund bildete einen rosa Bogen, und in ihren dunklen Augen saß der Schalk.
Mack starrte sie an. Jetzt würde ich sie gerne küssen, dachte er, und genau in diesem Moment hob sie den Kopf und blickte ihn an. Er fühlte sich ertappt und sah rasch weg; ihm war, als habe sie seine Gedanken gelesen.
Die Predigt ging zu Ende. Zusätzlich zu dem herkömmlichen presbyterianischen Gottesdienst stand heute eine Taufe an: Macks Kusine Jen hatte ihr viertes Kind geboren. Wullie, der älteste, arbeitete bereits im Pütt. Mack war zu dem Schluß gekommen, daß die Taufe der günstigste Zeitpunkt zur Verkündung seiner Botschaft wäre. Der Augenblick rückte unaufhaltsam näher, und der junge Mann spürte ein Schwächegefühl im Magen.
Sei kein Frosch, schalt er sich. Unten in der Grube setzt du jeden Tag dein Leben aufs Spiel! Was ist schon dabei, einem feisten Kaufmann die Stirn zu bieten?
Jen stand neben dem Taufbecken. Sie sah müde aus. Sie war gerade dreißig, doch nach vier Geburten und dreiundzwanzig Jahren Arbeit unter Tage schon ausgebrannt. Nachdem Reverend York den Kopf des Babys mit Wasser benetzt hatte, wiederholte Jens Mann Saul jene Worte, mit denen die Söhne aller schottischen Bergleute zu Sklaven gemacht wurden: »Ich gelobe, daß dieses Kind in Sir George Jamissons Gruben arbeiten wird - als Knabe und als Mann, bis ihn seine Kräfte verlassen oder bis zu seinem Tode.«
Das war das Stichwort für Mack.
Er stand auf.
An diesem Punkt der Taufzeremonie trat normalerweise Obersteiger Harry Ratchett vor und überreichte dem Vater das »Handgeld«, die traditionelle Bezahlung für das geleistete Versprechen. Die Summe betrug zehn Pfund. Zu MacksÜberraschung war es jedoch Sir George, der das Ritual diesmal persönlich durchführen wollte.
Der Laird erhob sich. Die Blicke der beiden Männer trafen sich. Sekundenlang starrten sie einander an.
Dann schritt Sir George auf das Taufbecken zu.
Mack trat in den Mittelgang der kleinen Kirche und sagte mit lauter Stimme: »Das Handgeld hat keine Bedeutung mehr.«
Sir George blieb unvermittelt stehen. Alle Köpfe drehten sich nach Mack um. Es herrschte betroffenes Schweigen. Mack hörte den Schlag seines eigenen Herzens.
»Diese Zeremonie hat keine bindende Kraft«, verkündete er. »Der Junge kann dem Bergwerk nicht versprochen werden. Man darf ein Kind nicht versklaven.«
»Setzen Sie sich hin, Sie junger Narr, und halten Sie Ihren Mund!« sagte Sir George.
Die herablassende Zurechtweisung ärgerte Mack so sehr, daß er alle Bedenken vergaß. »Setzen Sie sich hin!« erwiderte er in einem forschen Ton, der die schockierten Gemeindemitglieder die Luft anhalten ließ, und deutete mit dem Zeigefinger auf Pfarrer York. »Sie
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