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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wieder. Einen Augenblick genoß er seine Macht. »Laßt mich noch eine Zeile vorlesen«, sagte er. »›Sobald ein Mann erwachsen ist, untersteht er wie jeder andere Schotte auch dem Gesetz: Nach einem Jahr und einem Tag Arbeit als Erwachsener verliert er seine Freiheit.‹«
    Empörung und Enttäuschung machten sich breit. Nein, eine Revolution ist das nicht, erkannten die Männer. Die meisten von ihnen waren nicht freier als zuvor. Aber vielleicht hatten ihre Söhne eine Chance.
    »Zeigen Sie mir mal diesen Brief, McAsh«, sagte Pfarrer York.
    Mack ging vor und reichte ihm das Schreiben.
    Sir George, noch immer rot vor Wut, fragte: »Wer ist dieser sogenannte Rechtsanwalt?«
    »Er heißt Caspar Gordonson«, sagte Mack.
    »Ach ja«, bemerkte der Pfarrer, »von dem habe ich schon gehört.«
    »Ich auch!« blökte Sir George verächtlich. »Ein in der Wolle gefärbter Radikaler! Ein Spießgeselle von John Wilkes!« Den Namen Wilkes kannten alle. Der gefeierte Führer der Liberalen lebte im Pariser Exil, drohte jedoch ständig mit seiner Rückkehr und der Destabilisierung der Regierung. »Wenn ich auch nur ein kleines Wörtchen mitzureden habe, kommt Gordonson dafür an den Galgen!« fuhr Sir George fort. »Dieser Brief ist Hochverrat!«
    Das Wort ›Galgen‹ erschreckte den Pastor. »Ich glaube kaum, daß hier von Hochverrat…«
    »Kümmern Sie sich um das Himmelreich!« fuhr Sir George ihn an. »Die Entscheidung darüber, was Hochverrat ist und was nicht, überlassen Sie gefälligst Männern dieser Welt.« Er riß York den Brief aus der Hand.
    Entsetzt über die brutale Zurechtweisung ihres Seelsorgers, verstummten die Gläubigen und warteten gespannt auf dessen Reaktion. York hielt Jamissons Blick stand, und Mack war sicher, der Pastor würde dem Laird die Stirn bieten. Doch da schlug der Gottesmann auch schon die Augen nieder. Jamisson grinste triumphierend und nahm wieder Platz, als wäre alles geklärt.
    Pastor Yorks Feigheit empörte Mack. Die Kirche galt als moralische Autorität. Auf einen Pfarrer, der sich vom Grundherrn Befehle erteilen ließ, konnte man verzichten. Er sah den Mann mit unverhohlener Verachtung an und sagte spöttisch: »Sollen wir nun das Gesetz respektieren oder nicht?«
    Da erhob sich Robert Jamisson. Auch sein Gesicht war vom Zorn gerötet.
    »Sie respektieren das Gesetz, und Ihr Laird wird Ihnen sagen, was Recht und Gesetz ist«, sagte er.
    »Das ist genauso gut wie überhaupt kein Gesetz«, erwiderte Mack.
    »Was Sie betrifft, mag das sogar stimmen«, sagte Robert. »Sie sind Arbeiter in einer Kohlegrube: Was haben Sie mit dem Gesetz zu schaffen? Und was Ihre Korrespondenz mit Anwälten betrifft…« Er nahm seinem Vater den Brief aus der Hand. »Ich zeige Ihnen jetzt, was ich von Ihrem Rechtsanwalt halte.«
    Er riß den Brief mittendurch.
    Die Kumpel hielten die Luft an. Auf diesem Papier stand ihre Zukunft - und jetzt wurde es zerrissen.
    Robert Jamisson zerfetzte den Brief und warf die Schnipsel in die Luft. Wie Konfetti bei einer Hochzeitsfeier flatterten sie auf Saul und Jen hinab.
    Mack empfand tiefe Trauer wie bei einem Todesfall. Der Erhalt dieses Briefes war das bedeutendste Ereignis seines bisherigen Lebens gewesen. Er hatte ihn allen Menschen im Dorf zeigen wollen, ja, er hatte sogar erwogen, ihn auch in anderen Bergbaugemeinden bekanntzumachen. Ganz Scho ttland sollte Bescheid wissen. Und jetzt hatte Robert ihn im Laufe weniger Sekunden vernichtet. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Robert genoß seinen Triumph und machte daraus keinen Hehl. Dies wiederum brachte Mack in Rage. Nein, so schnell wollte er nicht klein beigeben. Der Brief mochte nicht mehr existieren, doch das Gesetz hatte weiterhin
    Bestand. »Sie müssen große Angst haben, sonst hätten Sie diesen Brief nicht zerrissen«, sagte er zu Robert und war selbst überrascht von der abgrund tiefen Verachtung, die in seiner Stimme lag. »Das Gesetz dieses Landes können Sie nicht so leicht in Stücke reißen.«
    Robert Jamisson erschrak und wußte im ersten Moment nicht, wie er auf diese schlagfertige Antwort reagieren sollte. Nach kurzem Zögern sagte er nur ein Wort: »Raus!«
    Mack sah Pastor York an. Auch die Blicke der Jamissons richteten sich auf den Pfarrer. Kein Laie besaß das Recht, ein Gemeindemitglied aus der Kirche zu weisen. Würde der Pastor erneut in die Knie gehen und sein Hausrecht an den Sohn des Laird abtreten? »Ist dies ein Haus Gottes, oder gehört es Sir George?« wollte

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