Die Brücken Der Freiheit: Roman
sprachen in Ihrer Predigt doch über die Wahrheit, Pastor! Werden Sie jetzt auch dafür einstehen?«
Der Gottesmann sah Mack beunruhigt an. »Um was geht es Ihnen denn, McAsh?« fragte er.
»Um Sklaverei!«
»Sie kennen doch gewiß das schottische Recht«, antwortete York, in einem Ton, der erkennen ließ, daß er sich um Verständnis bemühte. »Der Arbeiter in den Kohlegruben ist Eigentum des Bergwerkbesitzers. Nach einem Jahr und einem Tag in der Grube verliert er seine Freiheit.«
»Aye«, bestätigte Mack. »Das ist übel, aber es ist Gesetz. Ich sage jedoch, daß das Gesetz keine Kinder versklavt - und ich kann es auch beweisen!«
»Wir brauchen das Geld, Mack!« protestierte Saul.
»Nimm es ruhig an, Saul«, sagte Mack. »Dein Junge wird bis zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag für Sir George arbeiten, und das ist die zehn Pfund durchaus wert. Doch danach…« Er hob die Stimme. »Danach ist er frei!«
»Hüten Sie Ihre Zunge!« sagte Sir George drohend. »Das ist gefährliches Geschwätz!«
»Aber es stimmt«, gab Mack trotzig zurück.
Sir George lief purpurrot an; so hartnäckigen Widerspruch war er nicht gewohnt. »Um Sie kümmere ich mich nach dem Gottesdienst«, sagte er wütend. Er überreichte Saul die Geldbörse und wandte sich dann an den Pfarrer. »Bitte fahren Sie fort, Pastor York!«
Mack war völlig durcheinander. Das durfte doch nicht wahr sein! Wollten sie einfach so tun, als wäre nichts geschehen?
Der Pfarrer sagte: »Lasset uns singen. Das letzte Lied.«
Sir George kehrte auf seinen Platz zurück. Mack blieb stehen; er konnte es immer noch nicht fassen, daß anscheinend alles bereits vorbei war.
»Der Zweite Psalm«, sagte der Pfarrer. »›Warum toben die Heiden und murren die Völker so vergeblich?‹«
Eine Stimme hinter Mack unterbrach ihn: »Nein, nein - noch nicht!«
Mack drehte sich um. Es war Jimmy Lee, der junge Bergmann mit der schönen Singstimme. Er war schon einmal davongelaufen und trug zur Strafe einen Eisenring um den Hals, auf dem die Worte Dieser Mann ist das Eigentum von Sir George Jamisson aus Fife eingraviert waren. Ich danke Gott, daß er uns Jimmy gegeben hat, dachte Mack.
»Sie können jetzt nicht einfach aufhören«, sagte Jimmy. »Ich werde nächste Woche einundzwanzig. Ich möchte wissen, ob ich freikommen kann.«
Ma Lee, Jimmys Mutter, ergänzte: »Wir alle wollen das wissen.« Sie hatte keine Zähne mehr im Mund, war aber eine unbeugsame Frau, deren Wort in der Gemeinde etwas galt. Mehrere andere Gläubige, Frauen wie Männer, stimmten ihr zu.
»Davon kann überhaupt keine Rede sein!« fauchte Sir George und erhob sich wieder.
Esther zerrte an Macks Ärmel. »Der Brief!« zischte sie. »Zeig ihnen den Brief!«
»Was ist das für ein Papier, McAsh?« fragte Pastor York.
»Das ist der Brief eines Londoner Rechtsanwalts, bei dem ich mich erkundigt habe.«
Sir George sah aus, als wolle er jeden Augenblick platzen, so wütend war er. Mack war heilfroh, daß mehrere Bankreihen zwischen ihnen lagen; andernfalls wäre ihm der Laird womöglich an die Gurgel gesprungen.
»Sie haben sich bei einem Anwalt erkundigt?« blubberte Sir George. Nichts schien ihn mehr zu ärgern als das.
»Was steht denn in dem Brief?« fragte York.
»Ich les' ihn vor«, sagte Mack und fing sofort damit an: »›Für die Handgeld-Zeremonie findet sich weder im englischen noch im schottischen Recht eine Grundlage.‹« Dieser Satz löste unter den Gemeindemitgliedern ein überraschtes Murmeln aus: Das stand in krassem Gegensatz zu allem, was man ihnen bisher beigebracht hatte. »›Eltern können nicht verkaufen, was ihnen nicht gehört, schon gar nicht die Freiheit eines erwachsenen Mannes. Sie können ihre Kinder bis zu deren einundzwanzigstem Geburtstag zur Arbeit in den Bergwerken zwingen, doch danach…‹« Mack hielt inne, um den dramatischen Effekt zu erhöhen, und las die folgenden Worte besonders langsam:
»›… doch danach sind die jungen Männer frei und können gehen!‹«
Es entstand Unruhe. Alle wollten etwas sagen, hundert Menschen gleichzeitig. Sie hoben die Stimmen, manche wollten Fragen stellen, andere wiederum sich nur mit einem lauten Ruf Gehör verschaffen. Ungefähr die Hälfte der anwesenden Männer waren schon als Kind der Bergwerksleitung versprochen worden und betrachtete sich folglich als Sklaven. Jetzt erfuhren sie, daß man sie betrogen hatte, und wollten die ga nze Wahrheit wissen.
Mack hob die Hand, und prompt verstummten die Leute
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