Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
zehn Jahre alt waren. Sie konnten sich als Lehrlinge in Bergen verdingen, wo alles, was mit Seefahrt und Fischfang zu tun hatte, produziert, gebaut und repariert wurde.
Diese Möglichkeit hatten die Witwen bereits in Erwägung gezogen. Maren Kristines Bruder Hans Tufte arbeitete als Seiler bei Cambell Andersen in Nordnes. Sie hatte ihm bereits geschrieben. Er war zweiter Werkmeister in der Seilerei, besaß also einen gewissen Einfluss, und so Gott wollte, würden sie bald drei Münder weniger zu stopfen haben. Vielleicht würden die Jungen mit der Zeit sogar etwas dazuverdienen.
Der Geistliche betrachtete die drei Jungen, die mit gesenkten Köpfen auf der Wandbank saßen, ohne ein Wort zu sagen oder zu erkennen zu geben, was sie darüber dachten, als Arbeiter in die Stadt ziehen zu müssen. Mit Sicherheit nicht das, was sich die drei Fischersöhne für ihre Zukunft gewünscht hatten. Aber die Not kannte nun mal kein Gebot.
Sehr viel mehr gab es für den Geistlichen nicht zu sagen. Er deutete an, dass er mit einer wohltätigen Gesellschaft in Bergen Kontakt aufnehmen wolle, aber versprechen könne er natürlich nichts. Mit Trauer im Herzen aß er von ihrem frisch gebackenen Brot, wissend, dass es schlimmer war, abzulehnen, als es den sechs Kindern buchstäblich wegzuessen. Die Fischer am Osterfjord nahmen es mit der Moral und der Würde sehr ernst.
Als er sich zum Dampfschiffanleger begab, um jemanden zu dingen, der ihn nach Hosanger segeln konnte, verspürte
er sowohl Erleichterung darüber, die schwere Pflicht hinter sich gebracht zu haben, als auch ein schlechtes Gewissen, weil er solch eine Erleichterung empfand. Es hätte viel schlimmer sein können. Doch die schwere Zeit der Trauer und Armut stand den Witwen noch bevor.
Sie mussten, so schrieb es der Brauch vor, mindestens ein Trauerjahr warten, ehe sie überhaupt daran denken konnten, sich einen neuen Mann zu nehmen, aus Not eher als aus Lust.
Jon Tygesen war Maschinist des Dampfschiffes Ole Bull , seit es im Frühjahr 1883 in Dienst gestellt worden war. Inzwischen brauchte er nur noch einen kurzen Blick über die Reling zu werfen, um zu wissen, wo auf der Strecke mit den vierzehn Landungsbrücken, die nördlich von Bergen angelaufen wurden, er sich befand. Er war die Aussicht inzwischen leid und fand die Ausländer, die nur zum Vergnügen mit dem Dampfschiff fuhren, ganz und gar unbegreiflich. An der heutigen Fahrt nahmen vier Ausflügler teil, zwei Männer und zwei Frauen, wenn er es richtig mitbekommen hatte, aus England. Draußen auf dem Fjord saßen sie in ihren Ledersesseln im Erste-Klasse-Salon, aber sobald der Dampfer anlegte, kamen sie in dicken Mänteln mit Pelzkragen an Deck, deuteten auf die Gipfel und gestikulierten lebhaft. Die Frauen stießen immer wieder verzückte Rufe aus. Seltsame Leute waren das.
In Tyssebotn war er selbst an Deck gekommen, um frische Luft zu schnappen. Es war sonnig, aber kühl, in der Nacht war oben auf dem Høgefjell viel Schnee gefallen, obwohl es bereits Anfang Mai war.
Unten auf dem Kai fielen ihm drei kleine Jungen auf. Sie trugen handgestrickte Pullover in ungewöhnlich blauen Farbtönen. Aber mehr noch als die Jungen zog ihre schwarz gekleidete Mutter die Blicke auf sich. Sie war eine ansehnliche Frau, selbst in Trauerkleidung. Gefasst verabschiedete sie sich von ihren Söhnen. Sie gab ihnen die Hand, die Jungen machten einen Diener, woraufhin sie sich zum Gehen wandte. Sie ging ein paar Schritte, besann sich dann aber, lief zurück, kniete sich hin und umarmte alle drei kurz und fest. Dann stand sie abrupt auf und ging, ohne sich noch einmal umzusehen.
Jon Tygesen wusste, wer die drei Jungen waren. Er hatte von dem Fischerboot Soløya gehört, das mit Mann und Maus untergegangen war. Die armen Teufel, dachte er. Jetzt müssen sie in die Stadt und sich dort abrackern. Es ist kalt, und sie können sich natürlich nur einen Decksplatz leisten. In diesem Augenblick kam der Kapitän und stellte ihm eine Frage, und er verlor die Jungen aus den Augen.
Sie waren an Eikangervåg vorbei und hatten ein gutes Stück der Strecke hinter sich, als er die drei Jungen die hintere Leiter in den Maschinenraum klettern sah. Er stand weiter vorn und schaufelte Kohle hinter dem großen Dampfkessel, wo sie ihn nicht sehen konnten. Er stützte sich auf die Schaufel und betrachtete sie. Wahrscheinlich wollten sie sich einfach nur aufwärmen. Sie waren die einzigen Deckspassagiere, alle anderen hatten die fünfundzwanzig Öre
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