Die Brüder Karamasow
Mitja.
»Wieso Unsinn?«
»Das brauchen Sie nicht zu wissen«, erwiderte Mitja und lächelte plötzlich. »Ich habe eben auf dem Marktplatz eine alte Frau totgedrückt.«
»Totgedrückt? Eine alte Frau?«
»Einen alten Mann!« schrie Mitja und lachte Pjotr Iljitsch so laut ins Gesicht, als ob der taub wäre.
»Hol' Sie der Teufel, einen alten Mann, eine alte Frau ... Haben Sie wirklich jemand totgeschlagen?«
»Wir haben uns wieder versöhnt. Wir sind aneinandergeraten und haben uns wieder versöhnt. Auf der Stelle. Wir sind als Freunde auseinandergegangen. Ein Dummkopf ... Er hat mir verziehen ... Jetzt hat er mir gewiß verziehen ... Wenn er aufgestanden wäre, hätte er mir gewiß nicht verziehen«, fügte Mitja plötzlich hinzu und zwinkerte dazu mit den Augen. »Ach wissen Sie, hol' ihn der Teufel! Hören Sie mal, Pjotr Iljitsch! Zum Teufel, das brauchen Sie nicht zu wissen! In diesem Augenblick will ich es nicht sagen!« schloß Mitja kurz und entschieden.
»Ich frage ja nur deswegen, weil es Ihre besondere Vorliebe ist, sich mit jedem anzulegen. So wie damals aus ganz unbedeutendem Anlaß mit diesem Stabskapitän ... Sie haben sich geprügelt und fahren nun zu einem Trinkgelage – da sieht man Ihren ganzen Charakter! Drei Dutzend Flaschen Champagner wozu denn so viel?«
»Bravo! Geben Sie nun die Pistolen her! Bei Gott, ich habe keine Zeit. Ich würde gern ein bißchen mit dir schwatzen, Täubchen, aber ich habe keine Zeit. Und es ist auch gar nicht nötig! Es ist zu spät, um noch lange zu schwatzen. Halt, wo ist das Geld geblieben, wo habe ich es gelassen?« rief er und begann in den Taschen zu wühlen.
»Auf den Tisch haben Sie es gelegt ... Sie selbst. Da liegt es ja. Haben Sie das vergessen? Wahrhaftig, Sie achten das Geld nicht höher als Unrat oder Wasser. Da sind Ihre Pistolen. Sonderbar, vorhin haben Sie sie für zehn Rubel als Pfand gegeben, und jetzt haben Sie auf einmal Tausende in Händen. Es sind doch wohl zwei- oder dreitausend?«
»Seien Sie unbesorgt, dreitausend«, erwiderte Mitja lachend und steckte das Geld in die Hosentasche.
»So werden Sie es verlieren. Sie besitzen wohl Goldbergwerke wie?«
»Goldbergwerke? Jawohl, Goldbergwerke!« schrie Mitja aus voller Kehle und brach in schallendes Gelächter aus. »Wollen Sie in die Goldbergwerke, Perchotin? Dann wird Ihnen eine Dame von hier dreitausend Rubel geben, damit Sie nur hinfahren. Mir hat sie sie gegeben – so sehr liebt sie die Goldbergwerke! Kennen Sie Frau Chochlakowa?«
»Nein, ich bin nicht mit ihr bekannt, aber ich habe von ihr gehört und sie gesehen. Hat die Ihnen wirklich die dreitausend Rubel gegeben? So einfach gegeben?« fragte Pjotr Iljitsch mit ungläubiger Miene.
»Gehen Sie doch morgen, wenn die Sonne in die Höhe fliegt, wenn der ewig junge Phöbus, Gott lobend und preisend, in die Höhe fliegt, zu Frau Chochlakowa, und fragen Sie sie selbst, ob sie mir dreitausend Rubel gegeben hat oder nicht. Fragen Sie sie doch!«
»Ich kenne Ihre Beziehungen nicht ... Wenn Sie es so bestimmt sagen, wird sie die Ihnen schon gegeben haben ... Sie aber ... Kaum haben Sie das Geld in die Pfoten bekommen, fahren Sie statt nach Sibirien mit den ganzen dreitausend zu einem Gelage ... Wohin fahren Sie jetzt eigentlich, he?«
»Nach Mokroje.«
»Nach Mokroje? Aber es ist doch Nacht!«
»Wanja war einst stolz und reich, jetzt ist er dem Bettler gleich«, sagte Mitja plötzlich.
»Wieso einem Bettler gleich? Wenn man so viele Tausende hat, ist man nicht einem Bettler gleich.«
»Ich rede nicht von den Tausenden. Zum Teufel mit den Tausenden! Ich rede vom Charakter der Weiber:
Denn das Weib ist falscher Art,
und die Arge liebt das Neue.
Ich bin mit Odysseus einverstanden, der sagt das irgendwo bei Schiller.«
»Ich verstehe Sie nicht.«
»Bin ich etwa betrunken?«
»Nein, nicht betrunken, schlimmer als das.«
»Ich bin seelisch betrunken, Pjotr Iljitsch, seelisch betrunken! Aber genug davon, genug!«
»Was machen Sie denn da? Wollen Sie die Pistole laden?«
»Ja, das will ich.«
Mitja hatte in der Tat den Pistolenkasten geöffnet, er machte das Pulverhorn auf, schüttete sorgfältig die Ladung hinein und drückte sie fest. Darauf nahm er eine Kugel und hielt sie zwischen zwei Fingern, vor sich nahe an die Kerze, bevor er sie in den Lauf schob.
»Warum betrachten Sie denn die Kugel so?« fragte Pjotr Iljitsch, der mit Neugier und Unruhe Mitjas Bewegungen verfolgte.
»Nur so ein Einfall. Wenn du vorhättest, dir
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