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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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reizenden, allerliebsten jungen russischen Herrn, einen jungen Denker und großen Liebhaber von Literatur und geschmackvollen Dingen, den Verfasser eines vielversprechenden Werkes mit der Überschrift: ›Der Großinquisitor...‹ Allein den hatte ich dabei ins Auge gefaßt!«
    »Ich verbiete dir, von dem ›Großinquisitor‹ zu reden!« schrie Iwan, vor Scham rot geworden.
    »Na, und die ›Geologische Umwälzung‹? Erinnerst du dich? Das ist doch wirklich eine hübsche kleine Dichtung!«
    »Schweig, oder ich schlag dich tot!«
    »Nun willst du mich gar totschlagen? Nein, entschuldige, ich möchte mich doch aussprechen. Deswegen bin ich ja hergekommen, um dieses Vergnügen auszukosten. Oh, ich liebe die Schwärmereien meiner feurigen, vor Lebensdurst zitternden jungen Freunde! Dort gibt es neue Menschen, sagtest du dir noch im vorigen Frühjahr, als du im Begriff warst, hierherzufahren. Sie beabsichtigen, alles zu zerstören und wieder mit der Menschenfresserei zu beginnen. Die Dummköpfe! Warum haben sie mich nicht um Rat gefragt? Meiner Ansicht nach ist gar kein großes Zerstörungswerk erforderlich: Man braucht bei der Menschheit nur die Gottesidee zu zerstören – das ist der Punkt, an dem man das Werk in Angriff nehmen muß! Damit muß man anfangen – o die armen Blinden, die nichts begreifen! Wenn sich die Menschheit erst Mann für Mann von Gott losgesagt hat, und ich glaube, daß diese Periode ebenso wie die geologischen Perioden eintreten wird, dann wird die ganze frühere Weltanschauung und die ganze frühere Moral von selbst, ohne Menschenfresserei, zusammenstürzen, und etwas ganz Neues wird auf den Plan treten. Die Menschen werden sich zusammentun, um aus dem Leben alles herauszuholen, was das Leben geben kann, aber ausschließlich, um sich auf dieser Welt zu freuen und glücklich zu sein. Der Mensch wird höher und größer werden durch den Geist eines götterhaften, titanischen Stolzes, und der Mensch-Gott wird in Erscheinung treten. Indem der Mensch durch seinen Willen und die Wissenschaft stündlich und in unbegrenztem Maße die Natur besiegt, wird er eben dadurch stündlich einen so hohen Genuß empfinden, daß dieser ihm alle früheren Hoffnungen auf himmlische Genüsse ersetzen wird. Jeder wird erkennen, daß er ganz und gar sterblich ist, ohne Auferstehung, und wird den Tod stolz und ruhig hinnehmen wie ein Gott. Er wird aus Stolz einsehen, daß er keinen Grund hat zu murren, weil das Leben so schnell vergeht, und er wird seinen Bruder nun lieben, ohne Lohn dafür zu erwarten. Er wird seine Liebe auf das kurze Leben beschränken müssen; doch schon allein durch das Bewußtsein, daß sie nur so kurze Zeit dauern kann, wird sie um so viel feuriger sein, als sie früher durch die Hoffnung auf eine ewig währende Fortsetzung im Jenseits abgeschwächt wurde ... Na und so weiter und so fort in dieser Art. Allerliebst!«
    Iwan saß da, hielt sich mit den Händen die Ohren zu und blickte zu Boden; er begann am ganzen Körper zu zittern. Die Stimme fuhr fort:
    »Die Frage ist jetzt die: Hielt mein junger Denker es für möglich, daß eine solche Periode jemals eintritt oder nicht? Wenn sie eintritt, ist alles entschieden, und die Menschheit wird sich endgültig danach einrichten. Da dies jedoch angesichts der eingewurzelten menschlichen Dummheit vielleicht in tausend Jahren noch nicht geschehen wird, darf sich jeder, der jetzt schon die Wahrheit erkennt, auf den neuen Grundlagen ganz nach seinem Belieben einrichten. In diesem Sinn ist ihm ›alles erlaubt‹. Ja noch mehr: Selbst wenn diese Periode niemals eintreten sollte, wird der neue Mensch, da es Gott und Unsterblichkeit ja nicht gibt, trotzdem ein Mensch-Gott werden dürfen, selbst wenn dies nur ein einziger in der ganzen Welt erreichen sollte – und der wird dann bei seinem neuen Rang jede frühere sittliche Schranke des früheren Knecht-Menschen mit leichtem Herzen überspringen, falls das nötig wird. Für einen Gott existiert kein Gesetz! Wo sich ein Gott hinstellt, da gehört der Platz ihm! Wo ich mich hinstelle, da wird der erste Platz sein ... ›Alles ist erlaubt‹, und damit basta! Das ist ja alles sehr hübsch, doch wenn der junge Denker nun einmal betrügen wollte, wozu brauchte er da noch die Sanktion der Wahrheit, sollte man meinen? Aber so ist unser moderner Russe nun einmal: Ohne Sanktion entschließt er sich nicht einmal zum Betrügen, so sehr hat er die Wahrheit liebgewonnen ...«
    Während der Gast sprach, hatte er offenbar

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